Die Welt ist virtuell nicht schlechter als sonst auch. Aber es ist virtuell einfacher, schlecht zu sein. Man sieht nicht, wie der Apfel geklaut wird.
Diese philosophischen Worte stammen von Engelbert, einem der wichtigsten Mentoren der Bohnenzeitung und ein lieber Freund von mir, der mit seiner privaten Seite www.seelenfarben.de auf ungewöhnlich hohe Zugriffszahlen verweisen kann (etwa 10.000 auf der Startseite). Dass er sich heute mir gegenüber so nachdenklich gibt, hat aber einen bestimmten Grund, der in seinem Blog nachzulesen ist (http://www.allesalltaeglich.de/): Engelbert hat zufällig entdeckt, dass eine gewisse Dame ein Foto, dass er im April 2002 fotografiert hat, völlig unverfroren bei einem Fotowettbewerb als ihren Beitrag eingereicht hat. Natürlich war diese Person nicht so dumm, das Foto 1:1 zu übermitteln sondern hat es bearbeitet, „gespiegelt“ und den Ausschnitt verändert. Letzteres zwangsläufig, da der Verdacht nahe liegt, dass das Bild einer Grußkarte verwendet wurde und der Text zwangsläufig herausgeschnitten werden musste. Dieses Bild wurde dann als eigenes „Original“ bei besagtem Fotowettbewerb eingereicht.
So weit, so schlecht. Wenn Sie, liebe Leser, wie ich regelmäßig auf Engelberts Seite anzutreffen sind, wissen Sie, dass er nicht nur ein begeisterter sondern auch ein exzellenter Fotograph ist, dessen Fotos oft sehr schön und ausdrucksstark sind. Mir persönlich gefallen wirklich viele seiner Aufnahmen. Klarerweise trifft es einen „Foto-Künstler“ wie Engelbert, wenn er feststellen muss, dass da jemand eine ziemlich bösartige Form des „künstlerischen“ Diebstahls betreibt. Er stellte also die Angelegenheit in seinem Blog zur Diskussion, und siehe da: nicht alle Poster teilten seine Empörung. Es gab sogar Äußerungen, die dahin gingen, dass es einen mit Freude erfüllen sollte, seine Kunstwerke derart mit „anderen“ zu teilen oder diese gerne jenen ungefragt zur Nutzung zu überlassen…
Von dieser Form der „Brüderlichkeit“ halte ich persönlich sehr wenig. Ich habe vor Jahren eine vergleichbare Erfahrung gemacht, einige Zeit, bevor ich zur Bohne stieß. „Philip, der feuerrote Kater“ war entstanden (er hieß damals noch „Silvester“) und gutmütig überließ ich einer damaligen Kollegin die Fortsetzungsgeschichte für ihre kleine Tochter auf einer Diskette. Was ich damals nicht ahnte: die Frau vervielfältigte mein Werk ungefragt, ließ es privat binden und verkaufte es an Eltern von Kindergartenfreunden ihrer Tochter. Ein aussagekräftiger Hinweis auf den miesen Charakter der Frau, auf deren Bekanntschaft ich heute keinen Wert mehr lege. Als ich diese Angelegenheit durchschaute, war ich sehr verletzt, weniger wegen des Geldes, um das ich betrogen worden war als vielmehr wegen des verletzten Vertrauens. Diese Erfahrung war mir eine bittere Lehre…
Im Web ist es noch viel schwieriger sein geistiges oder kreatives Eigentum zu schützen. Copyright-Hinweise nutzen wenig, wenn man es mit einem perfiden Charakter zu tun hat, der alle ihm zur Verfügung stehenden Möglichkeiten auslotet, sich am Schaffen anderer zu bereichern. Oder auch nur einen Fotowettbewerb zu gewinnen, wie im Falle jener dreisten Dame, die sich mit Engelberts Fotographie aus dem Jahre 2002 einen Preis ermogeln wollte. Engelbert hat sich übrigens auch via Email an die Wettbewerbsleitung gewandt, wo man zwar die Hände in Unschuld wusch, aber immerhin ist jener „Löwenzahn“ nicht ins Finale der besten zwölf aufgestiegen und man sicherte Engelbert zu, dass man seine Mails an die betrügerische Teilnehmerin weiterleiten werde…
Ich bezweifle zwar, dass die Dame mit Engelbert Kontakt aufnehmen wird, sei es nun, um den Diebstahl frech zu bestreiten oder sich zerknirscht zu entschuldigen. Feigheit zeichnet diese „Rasse“ fast immer aus, werkt man doch am liebsten im Verborgenen und scheut das Licht der Wahrheit. Mir hat Engelberts Erfahrung jedenfalls bewusst gemacht, dass wohl auch hier bei uns in der Bohne die Möglichkeit besteht, dass sich jemand an unseren Werken ungefragt vergreift, sei es privat, um mit einem Liebesgedicht das Herz seiner Angebeteten zu erobern oder natürlich auch aus kommerziellen Gründen. Wobei man in solchen Fällen auch eine ganz klare Grenze ziehen muss: Witze, Bildchen, Sprüche oder Ähnliches hat wohl schon jeder von uns non-profit-mäßig genutzt, entweder in einer Mail weiter versandt oder auf einer privaten HP zur Schau gestellt. Das ist zwar genau genommen auch nicht rechtens, aber vergleichsweise harmlos.
Schlimm werden solche Übergriffe, wenn man sich mit der unerlaubten Nutzung von kreativem Eigentum anderer (Fotographien, Lyrik und Prosa, etc.) finanziell bereichert. Das ist ganz klar Diebstahl, denn ich werde schließlich bei aller „Brüderlichkeit mit meinen Mitmenschen“ nicht auch mein Auto oder meine Bohrmaschine jedermann und ungefragt zur Nutzung überlassen. Und mich womöglich auch noch darüber freuen, dass all das so gut ankommt. Was mir gehört, das nehme ich mir ganz keck heraus, da entscheide ich auch selber, was damit zu geschehen hat. Ganz egal ob Auto oder selbst gemaltes Gemälde. Kommunismus im Sinne von „alles gehört jedem“ – dafür ist der Mensch ohnedies nicht geschaffen, er braucht sein bisschen Eigentum um sich wohl zu fühlen. Und wenn es um das geistige und kreative Eigentum geht, mache ich da keine Ausnahme. Ganz im Gegenteil: wenn jemand talentiert und schöpferisch begabt ist, dann sollte vorrangig er der Nutznießer seines Schaffens sein – das ist nur recht und billig!
© Vivienne