Was macht Ihnen Angst, liebe Leser? Wo stellt es Ihnen die Gänsehaut auf oder wann werden Sie ernsthaft unruhig? Jeder hat so seine sorgsam gehüteten Situationen, angesichts derer dann das Herz in die Hose rutscht. Bei mir gehört dazu wohl das „Feindbild“ Zahnarzt. Ich habe panische Angst vor Schmerzen bei Wurzelbehandlungen. Stellen Sie sich da an meiner Stelle nun den eitrigen Abszess am Kiefer vor, der mir August/September 2004 das Leben zur Hölle machte – weniger wegen der Schmerzen als wegen der grausamen Schwellung im Gesicht. Und doch überstand ich den folgenden Eingriff, eine Wurzelspitzenresektion, trotzdem vergleichsweise gut. Eine andere Frau, die ich bei einer Nachuntersuchung eine Weile später beim selben Zahnarzt traf, machte sich vor Angst in die Hose, als bei ihr derselbe Eingriff vorgenommen wurde.
Meine eigenen Ängste müssen demnach doch noch relativ gering gewesen sein. Angst hat oft etwas Irrationales und sie hat viel mit Erfahrungswerten zu tun. Ich hatte noch nie Angst in wildfremden Städten nächtens allein durch die Straßen zu ziehen. Einfach, weil mir in dieser Situation noch nie etwas passiert ist und ich nicht wirklich darüber nachdenke, was sein könnte. In anderen Belangen bin ich nicht so phlegmatisch, da zeichnet mir meine Phantasie oft ein verzerrtes Bild der Realität. Jeder reagiert eben anders. So wie ich, eine doch eher überängstliche Frau, fast stoisch in den Flieger steige und mir wenig Gedanken mache, ob das Flugzeug in Turbulenzen geraten könnte, während andere nicht unter Androhung von Strafen fliegen würden. Natürlich ist mir nicht bekannt, aufgrund welcher physikalischer Gesetze sich ein schwerer Jumbo etwa in der Luft halten kann. Aber – fliegen, so meine Devise, ist statistisch noch immer sicherer als Autofahren und dabei bin ich auch immer ungeschoren davongekommen…
Angst bzw. Panik kann einen Menschen fast überall befallen. So mancher beginnt unter Menschenmassen zu transpirieren und ergreift die Flucht. Ein anderer kann wieder keine offenen Plätze überqueren. Eine frühere Bekannte von mir begann unter Panikattacken zu leiden als sie in einem Lift in der Arbeit mehr als eine halbe Stunde festgehalten wurde. Sie musste sich einer Therapie unterziehen, um dieses Trauma wieder ablegen zu können. Natürlich muss man nicht gegen die Angst an sich vorgehen. Angst ist im Grunde eine sehr nützliche Eigenschaft des Menschen, weil sie uns von Fehlern abhalten soll und vor möglichen Problemen bewahren kann. Keine Angst ist zu haben ist daher genauso unnatürlich wie an übersteigerten Ängsten und Phobien zu leiden. Angst ist wichtig, aber sie sollte nicht uns und unser Leben beherrschen sondern wir sie.
Sich einsperren und von der Außenwelt abschotten gehört dazu. Geschehen kann immer etwas, auch beim bloßen Überqueren der Straße gegenüber dem eigenen Wohnblock. Das fällt mir immer ein, wenn ich an die kolportierte Geschichte eines Mannes denke, der aus lauter Aberglauben an einem Freitag den 13. das Haus nicht verlassen wollte. Er hatte sich deswegen sogar extra frei genommen und blieb den ganzen Tag nur im Bett, aber diese Vorsichtsmaßnahme nutzte ihm gar nichts: der gute Mann wurde nämlich von der Uhr im Schlafzimmer auf der Mauer oberhalb seines Bettes erschlagen, weil sich unglücklicherweise gerade an dem Tag der Nagel gelöst hatte… die Uhr fiel ihm direkt auf den Kopf… Gerade den speziellen „Unglückstagen“ wie den 13er-Freitagen oder den Raunächten um und nach Weihnachten wird von vielen eine besondere Bedeutung zugesagt.
Um ehrlich zu sein, liebe Leser, wäre ich zwar vor vielen Jahren einmal an einem Freitag, den 13., beinahe an einer Weintraube erstickt, aber sonst habe ich keine negativen Assotiationen zu diesem markanten Datum. Was die so genannten Raunächte betrifft, heißt es im Volksmund immer wieder, dass keine Wäsche hängen bleiben soll, weil deren Inhaber im kommenden Jahr sterben soll. Aus eigener Erfahrung kann ich Ihnen, liebe Leser, versichern, dass nichts daran wahr ist. Demnach hätte ich schon vor längerer Zeit das Zeitliche segnen müssen und mit mir meine ganze Familie. Was eine Nachbarin von uns nicht abhielt, aus einer gewissen Angst heraus jedes Mal an diesen Raunächten die Wäscheleinen auf dem Dachboden, wo sie die Wäsche normalerweise aufhing, völlig frei zu halten. Vor ihrem eigenen Tod hat sie dieses Verhalten trotzdem nicht bewahrt…
Angst ist eine zutiefst menschliche Eigenschaft, aber auch höher entwickelte Tiere kennen Angst. Wobei die Angst zu sterben und die Angst vor Schmerzen natürlich am stärksten ausgeprägt sind. Angst ist unglaublich bedeutsam und wichtig für uns solange sie in einem gewissen Rahmen bleibt und wir ihr den Raum zugestehen, der ihr gebührt. Zu viel Grübeln und zu viel Hinterfragen sind in dem Zusammenhang nicht zu empfehlen. Je weniger wir darüber nachdenken, also mit einer gesunden Oberflächlichkeit durchs Leben gehen, desto ausgeglichener und harmonischer verläuft unser Leben. Sagen wir also ruhig ja zur Angst, dann, wenn es nötig ist. Und nicht öfter…
© Vivienne