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18.07.2005, © Vivienne
Eigentlich
Eigentlich geht es mir gut.
Sage ich.
Eigentlich.
Ich kann mich im Grunde nicht beklagen.
Ehrlich.
Es geht mir besser denn je.
Ich habe einen guten Job.
Nette Kollegen.
Einen Chef, mit dem ich reden kann.
Ich habe Leute um mich, mit denen ich reden kann.
Über meine Probleme.
Was mich beschäftigt.
Ich kann mir manches leisten.
Dinge, von denen ich vor ein paar Jahren nur träumen konnte.
Ich fahre auf Urlaub.
Immer wieder.
Heuer nach Nizza.
Ich werde Monaco besuchen.
Es gibt Leute, die mich mögen.
Die sich Sorgen um mich machen.
Denen es nicht egal ist, wie es mir geht.
Leute, die ehrlich sind zu mir.
Also.
Warum sage ich eigentlich?
Warum schränke ich ein?
Was gibt es einzuschränken?
Im Grunde nichts.
Es gibt halt Dinge, die mich trotzdem beschäftigen.
Obwohl es mir gut geht.
Dass ich allein bin etwa.
Dass ich mir Sorgen um die Zukunft mache.
Meine Familie.
So manches.
Und das veranlasst mich zu sagen.
Eigentlich.
Der Mensch ist nun mal so.
Er kann nicht vorbehaltlos glücklich sein.
Fast nie.
Einfach genießen.
Das, was ist.
Er quält sich.
Selber.
Mit den Dingen.
Die nicht so sind, wie er es wünscht.
Ich bin nicht anders.
Ich bin genau so in dieser Schiene gefangen.
Vielleicht sogar mehr als die meisten.
Ich sehe nicht was ist.
Ich sehe nur, was sein könnte.
Im negativen Sinn.
Das tötet die Lebensfreude.
Immer auf die Katastrophe warten.
Sich am Augenblick nicht richtig freuen können.
Immerhin weiß man nie.
Es kann was passieren.
Dass man sich schuldig fühlt für die Freude.
Oder gar verantwortlich dafür.
Man fürchtet sich, sich zu freuen.
Und man hat Angst überrascht zu werden.
Von etwas, das man fürchtet.
Firlefanz.
Freude ist nichts Schlechtes.
Passieren kann immer etwas.
Niemand ist vor irgendetwas gefeit.
Und man ist nicht automatisch schuldig dafür.
Und deshalb.
Freuen wir uns einfach.
Um der Freude willen.
Um unseres Lebens wegen.
Und um all der lieben Menschen um uns.
Und das, das wir genießen dürfen.
Freude ist ein Recht.
Kein Privileg.
Vergessen wir also das Wörtchen Eigentlich.
Es sollte nichts verloren haben
in unserem Sprachgebrauch.
Die Dinge sind einfach so oder so.
Eigentlich ist nichts.
Gar nichts!
Vivienne
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