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16.07.2005, © Vivienne

Sternzeichen Bissgurn, Aszendent Grantscherbn

Humorlosigkeit ist eines der größten Mankos, das es gibt. Trotzdem gibt es so manchen Zeitgenossen, der immer nur finster schaut und zum Lachen wohl in den Keller geht. Ich habe mich oft gefragt, ob solche Leute so was wie Lebensfreude überhaupt kennen bzw. ob sie  diese Lebensfreude nicht sehr vermissen müssen? Immer mit verkniffenen Lippen herum zu laufen wäre nicht so meines, auch wenn ich weiß Gott nicht immer einen Grund zum Lachen hatte. Aber echte Miesepeter vergraumeln nicht nur sich selbst sondern auch andern das Dasein, und das ist unverzeihlich. Wenn einer selber freudlos vegetieren will, dann soll er das ruhig. Aber anderen soll er nicht reinpfuschen…!

Es ist Ewigkeiten her, als ich in einer Linzer Firma im Zentrum arbeitete. Genau genommen war dieser Job mein erster Arbeitsplatz und dementsprechend schüchtern agierte ich noch. Das kleine Unternehmen stand auf etwas wackeligen Beinen, weil die Auftragslage schlecht war. Die Mutter des Firmenchefs führte deshalb selber die Buchhaltung, um jeden Einbruch in den Finanzen rechtzeitig einsehen zu können. Ich durfte die Frau bei allen anfallenden Büroarbeiten unterstützen, und das war weiß Gott kein Honiglecken. Frau Schmiedbauer hetzte mich den ganzen Tag, nie war ich ihr schnell genug, nie konnte ich es ihr recht machen und darunter litt auch das ganze Arbeitsverhältnis. Der Chef war nett, die Kollegen durchwegs in Ordnung, aber die Mutter des Chefs war eine Katastrophe.

Als sie mich wieder einmal wegen einer Bagatelle zur Schnecke gemacht hatte, kam Sybilla zu mir, die in der Verpackung arbeitete. „Was hast du denn? Ist sie dir wieder auf den Geist gegangen?“ Ich nickte unter Tränen. Sybilla legte mir beruhigend die Hand auf die Schulter. „Die kann nicht anders, sie ist ein frustriertes Weib. Ihr Mann, der Vater vom Chef, hat sie dauernd betrogen, bis er in den Armen einer anderen an einem Herzversagen gestorben ist. Das hat  sie bis heute nicht verwunden.“ Ich hatte bei Sybillas Erzählung zu weinen aufgehört und lauschte interessiert. „Tatsächlich?“ Sybilla nickte. „Natürlich. Und weiß du, was die Frau Schmiedbauer bei uns für einen Spitznamen hat?“ Sie senkte die Stimme. „Für die Mutter vom Chef gibt es ein eigenes Horoskop: Sternzeichen Bissgurn, Aszendent Grantscherb’n.“

Ich musste laut auflachen. „Aber ned wahr?“ Sybilla schmunzelte. „Pst. Aber es stimmt wirklich. Schon seit Jahren. Halte dir vor Augen, dass sie im Grunde genommen bedauernswert ist in ihrem Frust. Und außerdem ist sie neidig, dass du noch so jung bist und dein Leben vor dir hast!“ Seit diesem Gespräch ertrug ich die harten Worte der Frau Schmiedhauser ein wenig leichter. Zumindest ein paar Wochen. Bis die Situation wieder eskalierte, weil ein Lieferschein fehlte. Und Frau Schmiedhauser machte mich dafür verantwortlich. Ich hätte ihn verschlampt, warf sie mir vor, ihn nicht ordnungsgemäß abgelegt und überhaupt wäre ich das Letzte. Wenn ich mich an diese Situation zurückerinnere, sehe ich nur das gerötete Gesicht der Frau Schmiedhauser vor mir und wie sie immer lauter auf mich einschrie.

Zunächst war ich wie betäubt. Dann stieß ich einen lauten Schrei aus. Vor Schreck verstummte Frau Schmiedhauser. Dann sah ich sie an, ich zitterte vor Aufregung und dann nahm ich ganz langsam die zwei Worte in den Mund. „Sie Bissgurn!“ Frau Schmiedhauser zuckte zusammen. Ich keuchte laut, dann hob ich noch einmal meine Stimme. „Ich habe Ihren Lieferschein nicht verschlampt. Und ich lasse mich nicht mehr schikanieren. Suchen Sie sich jemand anderen dafür!“ Ich drehte mich weg und setzte mich zum Schreibtisch. Mit zitternden Fingen schrieb ich meine Kündigung und legte sie dem Chef auf dem Tisch. Frau Schmiedhauser hatte kein Wort mehr gesagt, es war mir auch egal und da damals Selbstkündigung noch keine automatische Sperre des Arbeitslosengeldes  für ein paar Wochen zur Folge hatte, war ich auch relativ gefasst.

Mittags kam der Chef von einem Außendiensttermin zurück und rief mich kurz darauf in sein Büro. Natürlich hatte er meine Kündigung auf seinem Schreibtisch gelesen. Ehrlich gesagt, ich verlor die Nerven und begann bald zu weinen. Ich tat mir schwer, die Ungerechtigkeiten und die harten Bandagen durch seine Mutter in Worte zu fassen. Der Chef hörte mir schweigend zu. Dann holte er aus seiner Jackentasche ein Stück Papier heraus. „Das ist der Lieferschein, den meine Mutter gesucht hat. Ich habe die Ware übernommen und irrtümlich den Beleg eingesteckt. So was kann passieren… Geh wieder arbeiten und überlege es dir noch einmal, ja?“

Nach diesem Gespräch verhielt sich Frau Schmiedhauser ganz anders. Sie entschuldigte sich  zwar nicht, aber sie war mir gegenüber um Höflichkeit und eine Art aufgesetzte Freundlichkeit bemüht. Wohl habe ich mich trotzdem in ihrer Gegenwart nie gefühlt und als sich fast ein halbes Jahr später die Gelegenheit für einen Jobwechsel ergab, ließ ich mich nicht mehr halten. Nicht wegen des Geldes, sondern wegen Frau Schmiedhauser, die sich nicht mehr freuen konnte und deshalb auch keinem anderen mehr Freude gönnte…

Vivienne

 

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