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06.04.2005, © Vivienne
Sterben aus Liebe?
Ich konnte es fast nicht fassen. Eine Kollegin von uns, also aus meiner Firma aber einer anderen Abteilung, hatte am Morgen einen schweren Verkehrsunfall fast unverletzt überstanden. Während wir Stunden nach der Nachricht noch über so viel Glück philosophierten, ließen uns die Details, die nach und nach unsere Wissenslücken füllten, stutzen. Katrin Hoffmann, die Chefsekretärin, hatte mit Sicherheit die Steinmauer ganz gezielt anvisiert. Es bestand kein Zweifel daran, dass sie nicht irrtümlich von der Fahrbahn abgekommen war und auch einen Sekundenschlaf schlossen die Experten dezitiert aus. Frau Hoffmann wollte sich definitiv umbringen, denn sie hatte ihr Fahrzeug, den neuen Volvo ihres Mannes, sogar noch beschleunigt während sie ihn auf die Steinmauer hinsteuerte.
Betroffenheit breitete sich bei uns aus. Das Tagesgespräch in der ganzen Firma beschäftigte auch unsere Abteilung. Katrin Hoffmann hatte sterben wollen, und es war völlig offen, wieso. Sie war die rechte hand des Chefs, hatte seine ganzen Termine koordiniert und war unverzichtbar für ihn geworden nachdem sie in der Firma eine Bilderbuchkarriere hingelegt hatte. Vor zwanzig Jahren hatte sie eine Bürokaufmannlehre im Unternehmen begonnen, war zuerst in die Buchhaltung gekommen und hatte sich mit ihrer Umsicht, ihrem klaren Verstand und ihrem Geschäftssinn bald unentbehrlich in der Firma gemacht. Und schließlich hatte sie der Geschäftsführer persönlich an die Spitze seines Sekretariats geholt. Und es schien, als hätte sie das Ende ihrer Karriereleiter noch lange nicht erreicht.
Nachdenklich packte ich am Ende dieses Arbeitstages zusammen. Ich erledigte noch ein paar Einkäufe und daheim war ich schon eifrig ins Kochen vertieft, als Albert die Wohnungstür aufsperrte. Er kam zu mir, küsste mich zur Begrüßung und begann sich lauthals über seine Firma auszulassen. Zuerst merkte er gar nicht, dass ich mit meinen Kommentaren geizte aber schließlich ich begann schon den Tisch zu decken – sah er mich scharf an. Ist was los, Viv? Ich erwiderte seinen Blick, zuerst wortlos, aber dann erzählte ich ihm die Geschichte von der rechten Hand des Geschäftsführers. ..und offenbar hat sie Selbstmord verüben wollen. Kein Mensch weiß warum. Für den Chef ist sie de facto unentbehrlich. Und jetzt liegt sie auf der psychiatrischen Abteilung des AKH und keiner weiß warum sie sterben wollte . schloss ich. ..und das beschäftigt mich einfach
Albert legte den Arm um mich und drückte mich. Minuten schwiegen wir. Alberts Stimme holte mich aus den Gedanken. Das heißt, die Katrin H. aus der Zeitung ist eigentlich die rechte Hand eures Geschäftsführers? Ich löste mich von ihm und nickte. Richtig. Albert nahm mich bei der Hand. Komm, lass uns essen. Dann muss ich dir etwas erzählen. Ich zog die Stirn in Falten. Was wollte mir Albert da erzählen? Hatte es wirklich mit dem Selbstmordversuch zu tun, wie es den Anschein hatte, oder war es etwas ganz anderes? Aber mein Freund ließ mich zappeln, und er ließ sich auch noch Zeit mit dem Essen. Was mich ärgerte, denn er wusste genau, dass er mich so auf die Folter spannte.
Schließlich schob Ali das Teller von sich, wischte sich mit der Serviette über den Mund und wandte sich zu mir. witzig, welch ein Zufall das war. Lass dir erzählen Er setzte sich bequem hin und zündete sich eine Zigarette an. Vorhin war ich noch an der Tankstelle. Nichts Ungewöhnliches normalerweise. Aber vor mir war ein Mann, kalkweiß im Gesicht und zudem wirkte er total fahrig. Stell dir vor Albert schüttelte den Kopf. ..er stand da mit einer Zigarette und einem Jägermeister und erzählte mir, er müsse sich erst einmal beruhigen. Albert zäumte jede Geschichte von hinten auf und das machte es mir nicht leichter, geduldig zu bleiben, da ich jeden Zusammenhang vermisste.
Albert grinste, ich spürte seine Ironie und er sah mich amüsiert an. Na ja, und auf einmal fängt er zu erzählen an. Die Polizei war heute bei ihm gewesen. Und da hat er erfahren, dass seine Frau ihn schon längere Zeit betrogen hat. Zu allem Überdruss noch mit dem Wohnungsnachbarn. Aha. Ich räusperte mich. Und deswegen kommt die Polizei zu ihm? Seltsam. Albert grinste breit. Nein, nicht deshalb, aber die Frau seines Rivalen der ist nämlich auch verheiratet hat kürzlich erst von dem Verhältnis erfahren. Und heute Morgen versuchte sie sich das Leben zu nehmen. Mit dem neuen Auto ihres fremdgehenden Ehemannes Ich begriff. Mein Gott, der Mann von Frau Hoffmann hatte ein Verhältnis!
Albert nickte. Und wie es scheint, ist sie nicht fertig geworden damit. Deshalb die wahnsinnige Aktion mit dem Auto. Betroffen fixierte ich eine Fliese in der Küche, ich versuchte meine Gedanken zu ordnen. Glaubst du dass sie wirklich sterben wollte? fragte ich nach einer Weile. Albert überlegte. Nein, das denke ich nicht. Ich denke, es war eher ein Hilfeschrei. Pure Verzweiflung. Und das Wissen, dass sie ihre Ehe durch ihre Karriere aufs Spiel gesetzt hatte. Albert wirkte ein wenig nach innen gekehrt. Nein, sie redete sich höchstens ein, dass sie sterben wollte. Sterben aus Enttäuschung, aus Hass vielleicht auch, aber vor allem sterben aus Liebe
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