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25.11.2005, © Vivienne

Liebe – mit Füßen getreten

Der Mensch strebt nach Liebe, er sehnt sich nach Zweisamkeit und nach körperlicher und seelischer Erfüllung. Oder auch nur vermeintlich, wenn man die Scheidungszahlen betrachtet… Nie ist die Liebe schöner als in der Zeit der ersten Verliebtheit, und bevor man sich so sichtig gehört, so mit Haut und Haaren, steht vielen auch der Sinn nach Spielchen und Spielereien, bei denen man ein wenig kokettiert, sich zurücknimmt um wieder vorzupreschen bis man dann endlich die Karten auf den Tisch legt… Liebe ist einzigartig, unbeschreiblich schön und doch kann sie einem Menschen bisweilen mehr Schmerzen bereiten als die größte körperliche Folter…

Klemens Waldhör war relativ neu in der Firma, in der ich vor über zehn Jahren einmal gearbeitet hatte. Er machte einen netten Eindruck auf mich, oberflächlich betrachtet halt, und was ich so merkte, war er bemüht, sich im Unternehmen schnell zu integrieren. Noch mehr bemüht war er allerdings um Marina Dohmeier, einer Kollegin in der Logistik, die schon ein  paar Jahre im Unternehmen angestellt war. Dohmeier war eine recht hübsche Person, immer schick gekleidet und verfolgt von einer Wolke intensiven Parfüms. „Folgen Sie der Wolke!“ war das geflügelte Wort in der Abteilung, wenn die Dohmeier gebraucht wurde. Marina Dohmeier war Single, sie ließ privat nichts anbrennen, ging mal mit diesem und mal mit jenem und auch die Kollegen in der Firma hatte sie zum Teil schon durchgebracht.

Klemens Waldhör hatte sich in diese – sagen wir mal – etwas leichtlebige Person verliebt. Diese Gefühle waren einerseits durchaus nachvollziehbar: Marina war eine sehr attraktive junge Frau, wenn sie „Kriegsbemalung“ aufgetragen hatte und sich sexy kleidete. Sie wusste um ihre Wirkung und diese nutzte sie auch aus. An Liebe ihrerseits zu Klemens war aber nicht zu denken, doch gefielen ihr die schüchternen Annäherungsversuche des jungen Mannes. Mehr als das: sie ließ sich Rosen schenken, sie flirtete mit ihm ungeniert und sie ging mit ihm aus – um ihn sich allerdings körperlich auf Distanz zu halten. Es machte ihr Spaß, mit den Gefühlen des jungen Mannes zu spielen, der sexuell doch eher ein unbeschriebenes Blatt war und ihre Beziehung zu Waldhör geriet immer mehr zu einer Gratwanderung.  

Sie begann ihm Geld abzuknöpfen, sie ignorierte ihn aus Spaß tagelang um ihm dann nach einer Weile wieder die größten Gefühle zu heucheln. Marina genoss die Macht über den jungen Kollegen, der von ihr in den Himmel gehoben und im nächsten Augenblick in den Abgrund gestoßen wurde. Es war merkwürdig für mich das Ganze zu beobachten. Klemens tat mir leid, sehr sogar, aber ich konnte mich nicht einmischen. Der Kollege musste schon selber dahinter kommen, dass die Dohmeier nicht die richtige Frau für ihn war. Und das würde wohl eine sehr schmerzhafte Erfahrung werden… Bisweilen sprach ich mit ein paar Kollegen darüber, die meine Meinung durchwegs teilten und das Verhalten von Marina Dohmeier nicht unbedingt nachvollziehen konnten. Aber Klemens zu erklären, dass er nur ausgenutzt und missbraucht wurde, hätte nicht viel gebracht. Er liebte Marina, verzweifelt und leidenschaftlich, auch wenn sie ihn nie an sich heran ließ, und er hätte niemandem geglaubt…

Bei einer Firmenfeier im Sommer ließ Marina Klemens wieder einmal links liegen und flirtete ungeniert mit einem der beiden Außendienstmitarbeiter. Klemens saß in einer Ecke, wie ein Häufchen Elend und sein ganzer Kummer war ihm ins Gesicht gemeißelt. Er verfolgte das alberne Getue seiner Angebeteten aus den Augenwinkeln und ich beobachtete ihn mit steigendem Mitgefühl. Zwanglos setzte ich mich schließlich zu ihm und begann planlos zu plaudern. Belangloses Zeug, einfach nur um ihn abzulenken und schließlich schenkte mir Klemens seine ganze Aufmerksamkeit. Er taute auf, mit einem Wort und vergaß seine Marina einen Moment lang.

Schließlich verlor sich sein Blick wieder in der lärmenden Runde weiter vorn und dann sah er mich an: „Sie ist eine sehr schöne Frau, nicht wahr?“ Ich wusste sofort von wem er sprach und beeilte mich zuzustimmen. Klemens schien mir etwas gefasster als noch zuvor und als er über sie zu reden begann, war ich sehr aufmerksam. „Warum ist sie so? Warum tut sie mir weh?“ Er starrte intensiv in mein Gesicht und ich begann meine Worte sorgfältig abzuwägen. Schließlich wollte ich den jungen Mann nicht verletzten. „Sie kann nicht anders. Sie kann nicht wirklich lieben. Und sie begreift nicht, was sie anrichtet… Eigentlich muss sie dir Leid tun.“ Ich konnte ihm schwer sagen, dass sie meiner Meinung nach nur ein billiges Luder war.

Klemens blickte zu Boden. „Ich liebe sie. Sie ist die schönste Frau, die ich je gesehen habe. Wie soll ich nur darüber hinwegkommen?“ Ich muss noch immer schmunzeln, wenn ich daran zurückdenke, was mir dann einfiel. Kurzerhand nahm ich den jungen Mann bei der Hand und verließ mit ihm die Firmenfeier. In der Nähe befand sich ein nettes kleines Lokal, wo wir uns in den Gastgarten setzen und wo ich bis nach Mitternacht mit Klemens saß. Wir redeten über alles Mögliche, aber Klemens schüttete mir auch sein ganzes Herz aus. Er weinte sogar bisweilen, wenn er über seine vergebliche, mit Füßen getretene Liebe sprach und ich glaube, irgendwann an diesem Abend begriff er, dass er sich von Marina nichts mehr erwarten durfte. In der Arbeit kursierte ein paar Wochen später  noch ein herbes Gerücht, wie ich den guten Klemens „wirklich“ von seiner Liebe zu Marina geheilt hätte und die Vermutungen gingen ziemlich unter die Gürtellinie. Aber das war mir egal…

Vivienne

 

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