Home Kolumnen Die bunte Welt von Vivienne
22.09.2005, © Vivienne
Die Kuh
Ich bin ein Landmensch. Oder besser gesagt, ein Naturmensch. Auch wenn ich schon manche Zeit in Linz lebe, ich brauche die Natur um mich: Bäume, Sträucher, Blumen und vor allem meine Donau. Das fesselt mich, dort kann ich relaxen, Kraft tanken und mich regenerieren. Die Kindheit in einer Mühlviertler Gemeinde hat mich geprägt. Dazu das Blut mehrer Generationen an Bauern in meinen Adern. Das kann ich nicht verleugnen, und auch wenn ich kein Getreide anbaue sondern Orchideen pflege: der Anblick eines Weizenfeldes, mit den sich wiegenden Halmen in dem sich ein paar Kornblumen und Mohnblumen optisch abheben, hat etwas Erhabenes für mich. Warum ich mit so einer Neigung nicht am Land geblieben bin?
Das hat verschiedene Gründe, vor allem Berufliche. Aber auch einen animalischen. Ich mag keine Kühe. Richtig gelesen. Sie machen mir Angst und flößen mir Unbehagen ein. Vom Odeur des Kuhmist erste gar nicht zureden Meine Abneigung gegenüber Kühen geht auf meine Kindheit zurück. Auf einen Vorfall, der mich geprägt hat nachhaltig. Kühe nein, danke! Aber lassen Sie mich erzählen Ich wohnte mit meiner Familie am Rande einer Ortschaft unserer Gemeinde. Im Dorf unten, aber auch vis-à-vis in Sichtweite nichts als Bauernhöfe. Ein Anblick, der mir seit frühester Jugend vertraut war. Auch meine Großeltern bewirtschafteten einen Bauernhof und ich liebte es, mit den Hühnern fangen zu spielen.
Eines Morgens im Sommer kam Claudio, einer meiner Brüder aufgeregt ins Haus gelaufen. Eine Kuh! Eine Kuh kommt die Straße hoch gelaufen! Seht euch das an! Claudio war ganz atemlos und konnte kaum mehr sprechen. Sofort ließ ich das Frühstück Frühstück sein und lief nach draußen. Das musste ich doch sehen! In der Tat Claudio hatte nicht geschwindelt. Eine Kuh kam unserem Haus immer näher. Hatte ich zunächst noch in kindlicher Vermessenheit geplant, dem Rind mutig entgegen zu treten, verflog dieser kühne Plan schnell angesichts der Größe des Tieres. Die Kuh stand nur mehr ein paar Meter von mir entfernt neben unserem Haus und glotzte mich an. Ihr Kiefer bewegte sich unentwegt und sie stank fürchterlich, war doch die Hinterseite ihres Körpers ziemlich mit Rindermist verschmutzt.
Das verschreckte mich aber gar nicht am meisten. Rund um ihr Maul befand sich regelrecht ein Bündel von Speichel, der langsam nach unten tropfte. Ich wusste in meiner Betretenheit gar nicht, ob ich mich mehr fürchten oder ekeln sollte. Zudem wäre ich am liebsten sofort wieder weggelaufen. Aber ich traute mich nicht, weil ich Angst hatte, das Rind würde mir folgen und womöglich schneller sein. Die Kuh beugte ihren Kopf nach unten und betrachtete mich intensiver. Der ganze Gestank der Kuh beherrschte meine Nase und schließlich ging ich ein paar Schritte zurück. Die Kuh folgte mir, zuerst langsam, aber als ich vor lauter Panik zu laufen begann, wurde sie schneller. Ich rannte zur Haustür, wie um mein Leben, aber meine Geschwister hatten mir einen Streich gespielte. Die Tür war verschlossen!
Der Schweiß floss von meiner Stirn, während ich gegen die Tür hämmerte. Macht auf, Verdammt! Macht auf! Sie frisst mich auf! Das Lachen der lieben wie boshaften Brüder und Schwestern machte mich noch wütender! Ich rüttelte an der Tür, aber die lieben Geschwister Schließlich drehte ich mich wieder um, presste meine Rücken gegen die Tür und starrte das grausame Wesen an, das da braun-weiß gefleckt vor mir stand und mich unverwandt ansah. Tu mir nichts! begann ich zu betteln. Bitte, bitte! Ich schloss die Augen und begann vor Angst zu weinen. Aber das Schlimmste sollte nicht an mir vorübergehen. Plötzlich fühlte ich eine raue, klebrige Substanz an meinem Gesicht. Ich öffnete erschrocken die Augen und stellte fest, dass mich die Kuh abgeleckt hatte, mit ihrer widerlichen großen Zunge.
Mein Gott, wie das stank! Ich war voll mit Speichel, in dem sich auch Speisereste, sprich das Wiedergekäue, fanden und dieses Gemisch bedeckte mein Gesicht. Aber plötzlich wandte sich die Kuh ab. Die Bäuerin kam auf unser Haus zu und lächelte die Kuh liebevoll an. Wo bist du bloß wieder hingelaufen? Schon eine Minute später waren die Bäuerin und das Rind wie ein Herz und eine Seele wieder auf der Straße unterwegs, diesmal nach unten, ins Dorf. Meinen Geschwistern habe dich den Streich lange nicht verziehen, nach diesem Abenteuer wusch ich mein Gesicht nicht nur mit Seife sondern sogar mit dem Spülmittel Sunlicht und einem Schwamm aus der Küche, weil ich mich im Gesicht so schmutzig fühlte. Eine Erinnerung, vielleicht ein Trauma. Erklärt aber sehr logisch, warum ich Kühe bis heute partout nicht leiden kann
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