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05.07.2005, © Vivienne

Die Halbe Weißbier

Ich schnurrte zufrieden wie ein Kätzchen, als Albert und ich im Wagen das Einkaufszentrum wieder verließen. In einem der vielen Shops waren wir zufällig Hanna über den Weg gelaufen. Jener Hanna, die mich schon als Farmersbraut für ihren Bruder und ungewollten Single Clemens gesehen hatte, der dringend auf der Suche nach einer Gefährtin zum Bewirtschaften des elterlichen Bauernhofes gewesen war. Vielleicht erinnern Sie, liebe Leser, sich noch an die eine oder andere Episode über sie und dass ich mit ihr einmal im Reisebüro einer hochwohlgeborenen Bürgermeistersgattin im Mühlviertel gearbeitet hatte. Das letzte, was ich von ihr gehört war, dass ihr Mann, ein Provinzschönling, einige Zeit mit eben jener Bürgermeistersgattin und vermeintlichen Busenfreundin fremdgegangen war.

Aber die Differenzen dürften wieder einigermaßen ausgeräumt gewesen sein, denn ihr Mann war neben ihr gestanden, als Hanna uns, Ali und mir, in dem Geschäft nachgestarrt hatte. Mit halb geöffnetem Mund, ihr blondes Haar war schon ziemlich angegraut, wie mir oberflächlich im Vorbeigehen auffiel. Die Bekanntschaft aufzufrischen kam mir gar nicht in den Sinn, da war zu viel passiert zwischen uns, zwischen Hanna und mir. Es hatte zu viele Meinungsverschiedenheiten gegeben und letztlich war auch immer der missglückte Verkupplungsversuch wischen uns gestanden. Dass ich mit Ali an der Seite durch ein Einkaufszentrum spazierte, musste sie mehr als nur unangenehm berührt haben. Hatte sie doch einmal mit spitzer Zunge gemeint, in meinem Alter dürfe man nicht mehr wählerisch sein, wenn es um einen Mann ginge… sondern packen, was sich anbiete!

Natürlich hatte sie damit ganz speziell ihren Bruder gemeint, aber das hätte nie gut gehen können. Ali stimmte mir zu, als ich die alte Geschichte wieder auspackte. „Das war sicher eine völlige Fehleinschätzung dieser Hanna!“ nickte er mit entschiedenem Gesichtausdruck. „…aber dass dich das jetzt noch so ärgert…“ „Tut es nicht!“ widersprach ich. „Aber meine Vorbehalte gegenüber ihr sind nicht weniger geworden. Das habe ich vorhin genau gemerkt. Was immer uns einmal verbunden hat – es stand nicht auf sehr sicheren Beinen.“ Ein paar Minuten schwiegen wir. Dann ergriff ich wieder das Wort. „Aber du musst jetzt nicht glauben, dass ich die Zeit in der Firma damals nur negativ empfunden habe. Sicher nicht, obwohl Frau Bürgermeister eine Heimsuchung war. Aber ehrlich…“ Ich schmunzelte breit. „Ein paar lustige Sachen sind dort in jedem Fall vorgekommen, Stilblüten, wenn man so will… Habe ich nicht ab und an schon ein paar Sachen ausgegraben?“

Ali nickte ohne mich anzusehen. Er konzentrierte sich auf den Gegenverkehr. „Die feine Dame muss ja nicht gerade ein besonders geschicktes Händchen für geschäftliche Dinge gehabt haben. Aber wollte nicht ausgerechnet die einmal „Unternehmerin des Jahres“ werden?“ Wir mussten beide lachen, tatsächlich, Frau Bürgermeisterin verfolgte einmal hochgestochene Pläne… „Weißt du…“ breitete ich eine Erinnerung vor Ali aus. „… da war doch auch die Geschichte mit der Halben Weißbier. Hab ich die schon erzählt? Unsere Chefin organisierte damals eine Busfahrt nach München zum Oktoberfest. Ein Pauschalangebot, wenn ich mich so erinnere. Zwei Tage mit Übernachtung und Frühstück in einem Hotel der gehobenen Klasse…“ Ali warf mir einen Seitenblick zu. „Tatsächlich? Darüber hast du aber sicher noch kein Wort verloren.“

„Kann sein“, räumte ich ein. „Jedenfalls brachte sie für die Fahrt einen Kleinbus voll zusammen, ungefähr vierzehn Leute. Ich weiß noch, dass wir deswegen riesigen Stress im Büro bekamen, weil unsere Chefin die Deadline ständig umwarf. Ursprünglich hätte eine Woche vorher Buchungsschluss sein müssen, aber Frau Bürgermeister hatte den Mund zu voll genommen. Sie war davon ausgegangen, mindestens zwanzig Leute für die Fahrt zu rekrutieren und hatte also über zehn Doppelzimmer in dem Hotel vorreserviert. Mit dem Geschäftsführer verband sie damals kurze Zeit ein Gspusi, mit wem eigentlich nicht… aber ich verzettle mich. Ali, du kannst mir glauben, dass sie nachher über die sieben oder acht Paare, die sie doch noch begeistern konnte, mehr als froh sein musste. Eines dieser Paare kam sogar extra aus Niederösterreich angereist, aus Horn, Verwandte von Freunden von ihr.“

In der Innenstadt beruhigte sich das Verkehrsaufkommen. Ali parkte im Hof und während wir unsere Einkäufe zum Lift trugen, fuhr ich mit meiner Geschichte fort. „Alles in allem muss die Organisation der Fahrt dann ganz gut geklappt haben, auch wenn unsere Chefin finanziell nicht einmal pari ausstieg. Nicht so sehr wegen der nicht gebuchten Zimmer als wegen der Preisminderungen, die sie unter Druck den letzen Paaren gewährt hatte. Der Clou sollte aber dann noch folgen…“ Ali sperrte unsere Wohnung auf und wir begaben uns mit den Lebensmitteln Richtung Küche. Mein Mann  begann den Kühlschrank aufzufüllen. „Clou? Was kann denn da noch Großartiges passieren?“ Ich grinste. „So was sollte man nicht für möglich halten.“ Ich verstaute den Kaffee und die Filter im Küchenkasten.

„Das Paar aus Niederösterreich stand nach der Heimfahrt plötzlich im Büro und fragte nach der Chefin. Die Frau war ziemlich ungehalten, daran erinnere ich mich gut, während ihr Mann kaum den Mund aufbrachte. Die Chefin hätte die beiden am liebsten aus dem Reisebüro geworfen, das sah man ihr an, und sie zeigte sich nicht unbedingt von ihrer Zuckerlseite.“ Ali nahm mir den Sack mit den Kartoffeln aus der Hand. „Was wollten die beiden denn?“ Ich ließ mich nicht bitten. „Schau, Ali, die Frau zeigte unserer Chefin die Rechnung vom Hotel. Das Pauschalangebot inkludierte Frühstück, zusätzliche Konsumation war separat zu bezahlen gewesen. Aber in dem speziellen Fall war neben ein paar anderen Sachen auch ein Glas Weißbier auf der Rechnung vermerkt worden. Weißbier, das die beiden nicht konsumiert hatten, wie die Frau konsequent betonte. Die Chefin versuchte zuerst die beiden einfach wegzuschicken, aber die Frau ließ nicht locker. Sie bestand auf der Rückgabe des Betrags…“

Ali blickte mich neugierig an, noch immer den Sack Kartoffeln in der Hand. „Und?“ Ich strahlte förmlich, als ich die Geschichte mit leiser Ironie zu ihrem Ende brachte. „Das Paar hatte auf dem Weg nach Niederösterreich einen ziemlichen Umweg auf sich genommen, um das Bier hier zu urgieren. Der Posten war ihnen nämlich erst auf der Heimfahrt im Bus aufgefallen. Der Umweg allein überstieg außerdem wegen des Benzinpreises die Kosten für das Bier deutlich. Irgendwie war die Geschichte unglaublich kurios. Aber schließlich holte die Chefin verbissen schweigend ihre Geldbörse heraus und zahlte das Weißbier. Ich weiß nicht mehr, wie viel. Sie schmollte den ganzen Tag deswegen und wir waren froh, als ihr Mann sie abholte. Er hatte, glaube ich, einen Termin im Landhaus und er brauchte sie zum Repräsentieren. Und wir waren ehrlich froh darüber, denn wir mussten in solchen Fällen immer ihre schlechte Laune ausbaden…“

Vivienne

 

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