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10.09.2005, © Vivienne
Nur Verlierer?
Der Fall Andreas Türck
Heute (Donnerstag, 8.9.05) wurde der ehemalige Starmoderator des deutschen Fernsehsenders Pro Sieben vom Vorwurf der Vergewaltigung frei gesprochen. Selbst die Staatsanwaltschaft hatte zuletzt auf einen Freispruch plädiert nachdem massive Zweifel an der Schuld des 36jährigen wach geworden waren. Nicht nur das: der Eindruck, eine Anklage wegen des angeblichen Sexualdeliktes sei nur wegen der Bekanntheit Türcks erhoben worden und jeder Mann von der Straße wäre nie in Türcks prekäre Situation geraten, lässt sich fast nicht mehr von der Hand weisen. Faktum ist, dass die junge Frau, die den Stein ins Rollen gebracht hatte, vor drei Jahren behauptet hatte, Türck hätte sie zum Oralsex gezwungen.
Türck selber hatte nie in Abrede gestellt, dass er mit ihr Sex gehabt hatte, allerdings von beiden Seiten freiwillig. Schon kurz nach dem die Anschuldigungen bekannt geworden waren, hatte Türck seinen Job verloren und war in der Öffentlichkeit wie in der Boulevardpresse unter der Beschuss geraten. Vor allem die Bild hatte zunächst keinen Zweifel erkennen lassen, dass man Türck für schuldig hielt. Zahmer wurde man erst, als die Zweifel an der Glaubwürdigkeit des vermeintlichen Opfers immer stärker wurden. Schulkolleginnen hatten etwa erzählt, dass die junge Frau schon früher immer mit Lügengeschichten über Schwangerschaften und tödliche Erkrankungen Aufmerksamkeit erregen wollte. Psychologische Gutachter attestierten der Frau de facto Ansätze zu einer Störung die bei ihr die Grenzen zwischen Wahrheit und Fiktion verwischen lassen könnte. Der Freispruch von Andreas Türck war nach diesem Prozessverlauf nur mehr eine Formsache.
Der frühere Sender hat dem Multitalent mittlerweile wieder einen Job in Aussicht gestellt. Alles ausgestanden? Mit Sicherheit nicht. Andreas Türck ist um es mit Wolfgang Ambros Worten zu formulieren gezeichnet fürs Leben. Allein die schlagenden Artikel der Bildzeitung, die ihn praktisch die meiste Zeit als Monster hingestellt hatte, wird der Mann wohl nie vergessen können. Ich zumindest könnte es an seiner Stelle sicher nicht. Außerdem haben die Haft und das Verfahren selbst Türck sicher stark verändert. Es wird einige Zeit dauern, bis er wieder halbwegs in ein normales Leben hineinwachsen kann und derselbe wird er nie mehr sein. Wer könnte es ihm verübeln, dass er Rachegefühle empfindet oder vielleicht sogar Klage gegen die Frau erhebt, die ihn nach einem kurzen Abenteuer erst in diese unglaubliche, ja ungeheuerliche Situation gebracht hat?
Die junge Frau entweder schwer neurotisch oder einfach geltungssüchtig hat weder sich selbst noch ihren Geschlechtsgenossinnen einen guten Dienst damit geleistet. Damit wurde durch die Causa Andreas Türck einmal mehr einer dieser scheinbaren Präsedenzfälle geschaffen, die Chauvis und Unverbesserliche ermutigt zu behaupten: Frauen werden gar nicht vergewaltigt. Sie behaupten es nur, um sich zu rächen oder um Geld abzukassieren. Oder beides. Ein völliger Trugschluss aber Wasser auf den Mühlen derer, die Sexualdelikte wie früher unter den Tisch kehren wollen. Einer der Anwälte Türcks hat sowohl seinen Mandanten selber als auch das angebliche Opfer, das im Prozess ziemlich Federn lassen musste, als Verlierer des Prozesses bezeichnet. Im Falle Türcks ist es durchaus angebracht davon sprechen, aber es sträubt sich einiges in mir, auch die junge Frau als bedauernswerte Verliererin zu sehen. Sicher nicht im herkömmlichen Sinn.
Immerhin hatte sie in den drei Jahren, die seit der Anschuldigung vergangen waren, genügend Gelegenheit gehabt, ihre Aussage wieder zurückzuziehen. Ich denke, dass ihr durchaus bewusst gewesen sein muss, was sie da tut und anrichtet. Und trotzdem hat sie nicht gezögert die Angelegenheit konsequent durchzuziehen, den einmal eingeschlagenen Weg weiterzugehen. Vielleicht hat da auch ein Gefühl von Macht eine nicht unbedeutende Rolle gespielt. Zumindest unbewusst. Wie auch immer aber vielleicht hat sie damit das Leben von Andreas Türck sogar zerstört, zumindest längerfristig. Denn das Geschehene zu verarbeiten dürfte ihm nicht leicht, wenn nicht sogar fast unmöglich fallen.
Paradox, wenn man die Ausgangslage betrachtet. Sommer 2002. Eine Sommernacht wird von einem Fernsehmoderator für ein schnelles Sexabenteuer auf einer Brücke genutzt. Wer ließe sich angesichts einer so banalen Situation träumen, dass ein Quicki jemanden für drei Jahre ins Gefängnis bringt und unter eine irre Anklage stellt? Seien wir ehrlich: banale Situationen wie diese passieren tagtäglich zuhauf und wie nahe gehen wir bisweilen am Abgrund ohne es zu ahnen!
Vivienne
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