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17.04.2005, © Vivienne

Modefarbe Orange?

Wer auf Shoppingtour durch die Einkaufsstraßen zieht, erkennt schnell, welche Farben in Sachen Mode heuer den Ton angeben. Neben Gelb oder Apfelgrün ist das vor allem ein leuchtendes Orange. Offenbar hat unser Jörgl Haider nach der Parteispaltung der FPÖ auch ein paar Modejournale zu intensiv durchgesehen. Denn die neue Partei, das BZÖ („Bündnis Zukunft Österreich“), das er ins Leben gerufen hat, soll offenbar wie jene Farbe, durch die sie in Zukunft repräsentiert werden wird, ein Schlager dieses Sommers werden…

Einmal mehr hat der Kärntner Landeshauptmann damit eine Schwarzblaue Koalition ins Wanken gebracht, auch wenn sich Kanzler Schüssel und seine Crew sowie die beiden Splitterparteien noch heftig gegen Neuwahlen wehren. Niemand von den Angehörigen der Regierung ist bereit, die Macht so ohne weiteres aus der Hand zu geben – persönliche Resentiments untereinander hin oder her. Ob der Staatsbürger bereit ist, diesen konfusen bis chaotischen Status Quo zu akzeptieren, steht auf einem anderen Blatt Papier. Kanzler Schüssel hat nie geglänzt durch bürgernahe Entscheidungen, ganz im Gegenteil, auch wenn er heute wieder angesichts der Feierlichkeiten der ÖVP (60 Jahre ÖVP wurden zelebriert) sinngemäß in den Mund genommen hat, dass für seine Partei ganz besonders der Mensch im Mittelpunkt steht.

Davon habe ich persönlich noch nicht viel gemerkt und wenn man diese Feierlichkeiten näher unter die Lupe nimmt, fällt auch auf, dass während der Feierlichkeiten bei den Konservativen weder das Spaltungsfiasko des Koalitionspartners ein Thema war noch ernsthaft überlegt wurde, ob man das Zepter der Macht wieder aus der Hand geben könnte. Minister Bartenstein sieht eine Zusammenarbeit mit den „Orangen“ auch nach den Wahlen 2006 sehr optimistisch und kann sich eine weitere Zusammenarbeit mit dem früheren einfachen Parteimitglied der FPÖ, das mittlerweile zum Parteichef des BZÖ gewählt wurde, gut vorstellen.

Unterschiedliche Umfragen sehen den Sachverhalt etwas anders. In einer Umfrage von letzter Woche stehen die beiden Splitterparteien nämlich knapp vor dem Scheitern vor der 5 %-Hürde (BZÖ 6 %, FPÖ 3 %) und auch in der Bohne-internen Umfrage, dessen Ergebnis heute noch veröffentlich wird, kämpfen beide Klone hart um’s Überleben in der politischen Landschaft. Eine aktuelle Umfrage des Profils sieht SPÖ-Vorteile durch das Chaos in der Koalition, die Roten liegen mit 43 % unangefochten in Führung. Die Kanzlerpartei liegt etwas angeschlagen mit 36 % auf der zweiten Position. FPÖ und BZÖ  mit 4 % bzw. 5 % haben auch in dieser Umfrage derzeit wenig Luft zum Leben…

Mit Ironie und Amüsement habe ich die Abspaltung der BZÖ von der FPÖ zur Kenntnis genommen. Erinnerungen wurden bei mir wach an die frühen 90er Jahre, als Heide Schmidt, ehemals eines der besten Zugpferde Jörg Haiders in der noch oppositionellen FPÖ mit dem damaligen Parteichef brach und das Liberale Forum ins Leben rief. Anfangs – man rufe sich die ersten Wahlerfolge in Erinnerung – durfte die junge Partei dem „Mutterschiff“ noch einige Prozente abjagen, aber die Euphorie verflog, nicht nur wegen interner Quengeleien sondern auch weil die Fraktion letztlich nicht halten konnte, was man sich von ihr versprach. Heide Schmidt verließ ihr „Kind“ und unterstützte bei den letzten Präsidentenwahlen sogar den roten Kandidaten Fischer, was wohl pikanterweise auch private Gründe gehabt haben dürfte…

Mit Ex-Willkommen-Österreich-Moderator Reinhard Jesionek an der Spitze erlebte das LIF einen weiteren Tiefpunkt und scheiterte bei den letzten Wahlen inferior. Natürlich sind Vergleiche zwischen beiden Abspaltungen nicht leicht zu ziehen, aber die Frage stellt sich natürlich schon, ob die FPÖ einen zweiten Aderlass innerhalb kürzester Zeit unbeschadet überstehen kann. Noch viel schwieriger sind die Überlegungen ob zwei auf diese Art und Weise entstandene Parteien eine Koalition stützen dürfen. Noch dazu, wo die eine nie in einer Wahl gewählt worden ist… Ich bin kein Jurist, schon gar nicht in politischen Fragen, aber für mich hinken die Schönfärbereien, mit denen Schüssel und Co Neuwahlen außer Debatte stellen, schon gewaltig, auf allen vier Füßen. Es lebe die Macht! scheint da als Schlachtruf dahinter zu stecken. …und solange ich sie habe, gebe ich sie nicht mehr her!

Es wird sich zeigen, wie lange die ÖVP mit dieser Vogel-Strauß-Politik Neuwahlen hinauszögern kann und wie der mündige Wähler dieses Verhalten letztlich goutiert. Offen bleibt, ob sich Jörg Haider mit der Parteineugründung nicht längerfristig selber ins politische Out befördert hat… wir halten Sie auf dem Laufenden!

vivienne
 

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