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23.06.2005, © Vivienne

Geschäftsschluss – wenn juckt’s?

Das meiste Mitgefühl was Leute von der arbeitenden Zunft betrifft, habe ich mit den Leuten im Handel. Von vorn herein schlecht bezahlt mussten sie in den letzten Jahren sukzessive immer mehr von ihrer Freizeit opfern. Auch der Sonntag wird auf Dauer nicht tabu bleiben, das steht für mich fest, auch wenn ich nicht ganz nachvollziehen kann warum. Denn extrem mehr einkaufen können die Kunden wegen längerer Öffnungszeiten auch nicht – irgendwann ist das Budget erschöpft. Vorrangig geht es darum, der Konkurrenz Anteile wegzunehmen und während die Großen sich im Offenhalten ihrer Märkte überbieten, müssen die kleinen Geschäfte nach und nach zusperren. Damit können sie nicht mithalten…

Gerade weil so viele Supermärkte und große Geschäfte schon sehr lange offen halten, verstehe ich die Einstellung so mancher Kunden nicht, die es oft gerade zu darauf anlegen, kurz vor Geschäftsschluss aufzukreuzen und dort noch eine halbe Stunde das Personal zu sekkieren. Und ihm wieder eine Lücke in die kostbare Freizeit zu reißen. Das muss wirklich nicht sein, wobei ich da aber ganz genau unterscheide zwischen denen, die halt mal nicht früher von der Arbeit wegkamen und dringend Lebensmittel oder was sonst immer brauchen oder jene, die nach dem Motto „Mir wurscht, ich bin im Recht!“ Präpotenz demonstrieren. So ein Verhalten ist zum Kotzen, diese Leute gehören wohl auch zu der Spezies, die auch sonst wenig Solidarität mit Handelsangestellten mitbringen: „Euch zwingt ja niemand dazu, selber Schuld!“

Ganz abgesehen davon, dass letztere Äußerung Blödsinn ist und die meisten Frauen im Supermarkt auch lieber im Büro arbeiten würden, wenn es Jobs für sie gäbe: sie wirft auch ein bezeichnendes Licht auf die Geisteshaltung dieser Leute. Vielleicht erinnert sich noch jemand an eine kurze Episode, die mir im Salzburger Magistrat passiert ist: eine so genannte Dame warf mir zweimal kurz vor halb eins das Türl ihres Schalters vor der Nase zu – sie wollte meinetwegen kein Überminuten machen. Auch wenn ich mich vielleicht wiederhole, man kann es nicht oft genug sagen: eine Magistratsbedienstete darf sich so ein kundenfeindliches Verhalten erlauben, im Supermarkt wäre es der Grund für ein fristlose Entlassung.

Auch wenn ich das Gros der Kunden nicht so übertrieben arrogant einschätze, für die schwarzen Schafe fehlt mir aber jegliches Verständnis. Ich habe von Szenerien am Heiligen Abend gehört, an denen so ein von und zu Präpotent über eine halbe Stunde nach offiziellem Geschäftsschluss noch zwischen den Regalen herumschlich und sich nicht entscheiden konnte. Noch ein Beispiel gefällig? Mr. Ich-bin-der-Tollste erscheint in einem Großhandel, kurz vor 19:00 Uhr (zu dem Zeitpunkt schließt die Kantine dort) und schlägt auf den Tisch: Wenn er nicht in fünf Minuten ein Schnitzel mit Pommes Frittes serviert bekommt, wird er sich an den Geschäftsführer wenden. Beispiel Nr. 3 Ein „fürstlicher“ Fleischhauer aus dem Mühlviertel, der prinzipiell immer zehn Minuten vor Geschäftsschluss in seiner Großhandelsstelle erscheint und einen Großeinkauf hinlegt, der sich über eine halbe Stunde zieht.

Man kann es drehen und wenden wie man will. Im Handel bist du ein Nichts, ein Niemand, oder einfach das Letzte. Einsatz und Engagement werden nicht honoriert, Überstunden oft erst mit viel Verspätung ausbezahlt. Zu einem lächerlichen Satz. Obwohl ein Kaufmann im Grunde fast dieselbe Ausbildung macht wie jemand der eine Bürolehre absolviert. Obwohl der Dienst an der Kasse nervenaufreibend ist und genau so viel Genauigkeit abverlangt wie bei einem Bankangestellten. Während letztere schon verhältnismäßig simple Einschnitte in ihre üppigen Rechte schon mit lautem Aufschreien goutieren, fragt keiner jemand im Geschäft, ob er nicht auch einfach um 18:00 Uhr heimgehen möchte. Obwohl es nie um Leben oder Tod geht.

Ich beneide niemanden, der im Handel arbeiten muss, oder noch viel treffender formuliert: ich kann jedem nur unbedingt davon abraten. Hätte ich ein Kind, würde ich alle Hebel in Bewegung setzen, um für dieses einen besseren Job zu finden. Wir brauchen die Angestellten in den Geschäften und Märkten, in denen wir einkaufen, aber würdigen möchte sie kaum jemand. Und ihre Bedürfnisse werden ignoriert – wie der grundsätzlich simple Wunsch nach Respektierung der Geschäftszeiten…

Vivienne

 

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