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10.05.2005, © Vivienne

 

60 Jahre Kriegsende
Viviennes persönliches Fazit

2005 – ein  Jahr der großen Feierlichkeiten in Österreich. Der zweite Weltkrieg ging vor sechzig Jahren zu Ende, und wem von uns ist eigentlich bewusst, durch welch glückliche Ära wir Spätgeborenen gegangen sind? Von kriegerischen Auseinandersetzungen waren wir jetzt nie direkt betroffen, ebenso wenig von wirklich großer Not oder politischer Verfolgung. Aber viel zu wenige Leute machen sich Gedanken darüber, wenn, dann höchstens alte Menschen, die die Härte dieser Zeit noch am eigenen Leib verspürt haben. So wie die Generation meiner Eltern, die damals Kinder waren, als Hitler sein „tausendjähriges Reich“ auf der ganzen Welt errichten wollte – dass dann aber gerade zwölf Jahre hielt…

Mein Vater befand sich in den letzten Kriegsmonaten in Deutschland. Er war im Begriff heimzukehren und brauchte Monate um das heimische Mühlviertel wieder zu erreichen – zu Fuß! Daheim erwartete ihn dann das Chaos. Seine Großmutter, bei der er, unehelich geboren, einen Großteil seiner Kindheit verbracht hatte, war verstorben. Sein Vater, mein Großvater, war mit einem Lungendurchschuss aus dem Krieg heim gekommen, eine Verletzung, von der er sich nie wieder erholen sollte, denn im verletzen Lungenflügel brach Tuberkulose aus, eine Krankheit, die ihn schleichend siechen ließ und an der er schließlich 1959 starb.

Die Mutter meines Vaters hatte in der Zwischenzeit geheiratet und eine eigenen Familie gegründet. Während ihm eine kinderlose Tante das Angebot machte, zu ihr nach Graz zu kommen, geriet er in die Fänge der Fremdenlegion. Erst kurz vor dem Tod seines Vaters kehrte er wieder zurück. Die ihm vertraute Welt hatte sich in der Zwischenzeit völlig gewandelt… Ganz anders sah es hingegen im Leben meiner Mutter aus. Sie wuchs auf einem Bauernhof auf, hatte jede Menge Geschwister und der Vater – als einziger Mann auf dem Hof vom Kriegsdienst befreit – hielt mit harter Hand die Familie zusammen. Als die ersten Russen ins Mühlviertel kamen, verkaufte er ihnen eine Kuh. Er ahnte, dass sie sie ihm auch genommen hätten, wenn er sich geweigert hätte. Den Nazis aber erzählte er beredt, die Kuh wäre ihm gestohlen worden…

Ein typischer Mitläufer wie viele in jener Zeit. Mein Großvater mütterlicherseits war kein Freund der Nazis, aber er ging den bequemen Weg. Um den Erbhof nicht zu verlieren, um die Familie nicht zu gefährden. Ob das verwerflich war, vermag ich nicht zu beurteilen, vielleicht wäre ich sechzig Jahre früher einen ähnlichen Weg gegangen, einfach aus dem Grund weil ich nicht sterben wollte. Vielleicht hätte ich aber auch das Land verlassen, weil ich nun mal nicht unbedingt zu den Leuten gehöre, die mit ihrer Meinung hinter dem Berg halten. Ich verurteile jedenfalls niemanden schnell, der aus Feigheit damals weggesehen hat. Wer ahnte denn wirklich schon, was sich etwa hinter den Mauern der KZ’s abspielte?

Ich verurteile vielmehr jene, die sich mit den Nazis gezielt arrangiert haben, um daraus vorteile zu gewinnen oder Karriere zu machen. Und am übelsten sind wohl jene Wendehälse, die sich dann nach dem Krieg quasi offiziell zu den „Widerständlern“ gesellten, obwohl sie vorher als engagierte und organisierte Nazis vom Regime enorm profitiert hatten… Vielleicht argumentieren Sie jetzt, liebe Leser, dass es gerade diese Feigheit war, der viele Menschen zum Opfer fielen. Aber damals fehlte es auch an Mut und an Solidarität untereinander, und wem hätte es genutzt, wenn sich ein Einzelner mutig geopfert hätte? So manche haben es trotzdem getan, aber offiziellen Aufstand gab es keinen…

Das Denunziantentum blühte im dritten Reich, man war schneller gebrandmarkt und aussortiert auf dem Weg in ein KZ als man bis drei zählen konnte. Zu viele Menschen hatten einfach Angst, den Mund zu öffnen um zu protestieren, und wir werden nie wissen, wie wir an ihrer Stelle gehandelt hätten… Viel wichtiger ist aus den Fehlern dieser unglücklichen Epoche zu lernen, und da brauchen wir in Österreich niemanden, der sich berufen fühlt, die KZ-Lüge offen weiter zu tragen, und das quasi auf Kosten der Steuerzahler. Solche Leute verurteile ich mit aller Schärfe, denn sie hatten Zeit aus den Geschehnissen, aus der Vergangenheit zu lernen… ließen dabei aber die Tatsachen völlig außer Acht.

Sechzig Jahre nach Kriegsende. Österreich ist ein modernes Land geworden, dem es trotz seiner Regierung noch immer sehr gut geht. Ein Land, das wie wenige sein großes Herz beweist für Notleidende auf der ganzen Welt wie im eigenen Land und dass sich dennoch immer wieder von harten Zynikern den Vorwurf gefallen lassen muss, eine Hochburg der Ausländerfeindlichkeit zu sein… Gleiches gilt für Deutschland, Hitlers Erbe liegt noch immer schwer auf uns, denn das damals ebenso faschistische Italien darf sich bequem abputzen: man hat den Duce ja noch vor Kriegsende mit seiner Geliebten gelyncht. Die vielen Attentate auf Hitler sind heute fast vergessen, weil sie alle fehlschlugen. Der interne Widerstand gegen den Führer wird gern unter den Tisch gekehrt und im italienischen Parlament dürfen sich dafür ungestraft von der EU Faschisten suhlen…

Es geht uns gut, sehen wir die Dinge einfach so, und die Geschichte wird die Fakten wieder gerade rücken, auch wenn wir es vielleicht nicht mehr erleben. Wir sollten uns halt nur bewusst sein, welches Glück wir genießen dürfen in einer Ära, in der wir den Sozialstaat und seine Errungenschaften ebenso schätzen lernen durften wie eine sehr friedliche Periode, die wirklich großes Leid an uns vorübergehen lie߅ Denken Sie manchmal darüber nach?

Vivienne

 

 

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