Das ist nun schon fast Künstlerpech, was der SPÖ da in den vergangenen Wochen auf den Kopf gefallen ist. In den letzten Sonntagsumfragen hatten sie fast immer die Nase vorn, lagen, mehr oder weniger deutlich vor der ÖVP, und nun, wo – man erlaube mir den Vergleich – die „Meisterschaft um die Kanzlerkrone“ in die entscheidende Phase geht, passiert so ein Eigentor. In ein paar Monaten sind Wahlen, und fast wie schon vom großen Taktiker Schüssel vorprogrammiert, gerät die SPÖ in den Sog des BAWAG-ÖGB-Skandals. Und unser Kanzler hat plötzlich wieder Oberwasser…
Ich habe schon sehr oft an anderer Stelle darauf hingewiesen, dass ich kein Fan von Kanzler Schüssel bin. Ganz im Gegenteil, beim Koalitionspoker 1999/2000, als er den glücklosen Viktor Klima an der Nase herumführte, hat er alle meine Sympathien restlos verspielt. Aber eines muss ihm der Neid schon lassen, der Mann versteht es zumindest Wahlen zu gewinnen, auch solche, bei denen er nur die drittstärkste Partei stellte… Auch in der momentanen Situation brauchte Schüssel gar keine großartigen Reden schwingen, die SPÖ hat sich selbst ein Ei gelegt, um es nachösterlich zu formulieren. Der „Todesschütze“ sitzt in den eignen Reihen, die BAWAG und der ÖGB haben der eigenen Partei den Wind völlig aus den Segeln genommen und nun sitz man zu dritt in der Flaute: Der BAWAG laufen die Kunden in Scharen weg, der ÖGB ist schwer angeschlagen und bemüht sich, die Verluste in Grenzen zu halten und reißt dabei die „rote Bewegung“ trotzdem auf dem Weg nach unten mit.
Für Gusenbauer konnte gar nichts Schlimmeres passieren. Er, der im Soge der Umfrageergebnisse wohl schon ernsthaft mit der Kanzlerwürde geliebäugelt hat, muss sich nun unerwartet um Schadensbegrenzung bemühen. Der Kanzler hingegen befindet sich in einer glücklichen Situation: er selber braucht nur abwarten, wenn sich die stärkste Oppositionspartei mit derartigen Problemen herumschlagen muss. Schüssel, der es trotz eines im wahrsten Sinn des Wortes völlig zerrissenen Koalitionspartners geschafft hat, die Zügel in der Hand zu behalten, hat sehr oft das Quentchen Glück auf seiner Seite, ob des Tüchtigen oder Untüchtigen – das wird wohl jeder anders sehen. Ich selber möchte dazu nur anführen, dass viele der unpopulären Maßnahmen der Schüsselregierungen unter einer roten Koalition zumindest teilweise auch durchgeboxt worden wären – weil sie unaufschiebbar waren.
An dem Faktum lässt sich nicht rütteln, und die vielen Versprechungen der SPÖ, die Pensionen würden nicht angefasst werden, haben wohl im Zuge der letzten Jahre viel an Glaubwürdigkeit verloren. Schüssel hat, wie schon erwähnt, die letzten Jahre viele Vorteile auf seiner Seite gehabt, aber die politischen Gegner haben es ihm auch oft nicht sehr schwer gemacht, und am leichtesten wohl der eigene Koaltionspartner, der sich selbst aufgefressen hat. Es ist schon ein Kunststück, aus so einer Situation mit der FPÖ/BZÖ die eigene Partei relativ unbeschadet herauszuhalten, aber Schüssel hat das Kunststück tatsächlich fertig gebracht.
Das Debakel der BAWAG und des ÖGB konnte Schüssel zweifelsfrei nicht voraussehen, aber die öffentliche Diskussion darüber hätte in keinem besseren Moment einsetzen können. Schüssel war nie einer, der sich großartig um Wählerprognosen während der Regierungslegislative gekümmert hat, er arbeitet immer auf den „Tag X“, also den Wahltag zu und überlässt dabei nichts dem Zufall. Bis hin zur perfekten Wahlwerbung („Wer wenn nicht er?“). Mir taugt einiges nicht an der Art und Weise, wie Schüssel an seine Ziele gelangt, da möchte ich gar keine Zweifel lassen, aber zumindest ist er konsequent und ich betone noch einmal: weit und breit gibt es im linken Lager keinen, der ihm Paroli bieten könnte.
Wenn Schüssel sich und seine Partei nicht selbst ans Messer liefert, wird das keiner so schnell vermögen. So bedauerlich es ist: Mit Alfred Gusenbauer hat die SPÖ auch nicht unbedingt den Mann an der Spitze, der dazu befähigt scheint, eine „Wende“ im positiven Sinne zu erreichen. Strategisch ist er jedenfalls seinem Gegner um die Kanzlerwürde deutlich unterlegen. Einmal mehr zeigt sich, dass die SPÖ auf eine politische Situation wie die jetzige gar nicht vorbereitet waren, denn auch nach der „Ära der Absoluten“ war man sich immer sicher, den Koalitionspartner diktieren zu können. Zu selbstsicher war man, vielleicht auch zu arrogant. Und wenn einmal eine „Glückssträhne“ reißt, wird die Krise (ich sage jetzt bewusst nicht Pech, denn vieles ist hausgemacht bei der SPÖ) zum Dauergast. Und im dümmsten Fall brechen noch alte Eiterbeulen auf – so wie jetzt.
Ich glaube nicht mehr an einen Wahlsieg der SPÖ im Herbst!
© Vivienne