Im Grunde bin ich seit Jahren ein Diener zweier Herren, liebe Leser. Unter der Woche gehe ich brav arbeiten, so wie jeder andere auch. Ein nicht geringer Teil meiner Freizeit gehört aber schon der Bohne und ich versuche mit meinen Kräften gerecht hauszuhalten zwischen den beiden Größen in meinem Leben. In meinem bürgerlichen Beruf hat sich durch den Wechsel vor fast zwei Jahren einiges geändert: ich habe plötzlich wieder Zeit zum Leben und zum Atmen, was sich seither durch steigende Produktivität zeigte. Ich bin oft selber erstaunt, wie leicht mir Verschiedenes fällt, und dass an manchen Tagen die Ideen gerade zu sprudeln.
Immer wieder werde ich auch gefragt, woher ich meine Ideen beziehe. Dass ich hier keine Autobiographie niederschreibe, hat sich zwar mittlerweile schon herumgesprochen, aber die Fragen nach Quellen sind durchaus berechtigt. Ich muss an dieser Stelle gestehen, dass so manche Geschichte, der man es nicht unbedingt ansieht, von mir von vorne bis hinten erfunden worden ist. Wenn ich solche Geschichten schreibe, habe ich eben gerade Märchenstunde. Das Gros aber, das räume ich gerne ein, hat schon so seinen wahren Kern. Mir wird nämlich auch sehr viel erzählt. Wer mich kennt, wird es zwar nicht für möglich halten, dennoch, möchte ich einmal darauf hinweisen: ich bin nicht nur selber wortgewaltig, ich kann noch besser zuhören, und während ich mir so eine Episode vorstelle, beginne ich im Kopf schon, sie in meine Worte zu kleiden.
Kein Ideenklau, dass Sie jetzt glauben: Erstens lasse ich mir von den Erzählern guter Storys das OK zur Veröffentlichung geben, zweitens verändere ich die Geschichten auch immer je nach dem sehr stark. Zum Schutz der Betroffenen und der Erzähler. Meine Rahmenhandlungen – etwa in der bunten Welt – sind ein Meisterstück für sich, und geben den Erzählungen oftmals ein ganz anderes Gesicht. Dazu kommt, dass ich auch immer wieder alte Geschichten, die sich einmal zugetragen haben, oder das eine oder andere aus der Verwandtschaft verarbeite. Gar nicht so selten überfallen mich aber einfach auch Gedankenblitze, überraschend und unerwartet, und es ist schon vorgekommen, dass ich mir von der Arbeit ein paar Zeilen heimgemailt habe um eine gute Idee nicht zu verlieren. Und ob Sie es glauben oder nicht, im Zug etwa oder in der Straßenbahn, können sich aus an sich harmlosen Gesprächsfetzen, die ich auffange, die tollsten Dinge entwickeln: Gedichte, Kurzgeschichten – Anregungen aller Art und unverzichtbar.
Sie sehen, wenn man mit offenen Augen und Ohren durch die Welt geht und das Gespräch mit den Menschen sucht, kann schon ein Spaziergang die besten Ideen bringen. Ich gebe zu, dass dies wohl nicht jeder so sieht, aber bei mir trifft es jedenfalls zu, und wenn ich mich so zurück erinnere: das war eigentlich immer schon so. Wenn ich an meine Volksschulzeit zurückdenke: wir mussten oft nach einem Bild auf der Tafel einen Aufsatz schreiben und meine Fantasie zeigte mir schon damals nicht einfach nur das Bild sondern immer gleich die ganze Geschichte. Schreiben war wohl immer schon meine Bestimmung, aber das Talent lag Jahre im Hintergrund. Mein ganzes Leben ist von teils heftigen Aufs und Abs gekennzeichnet gewesen und ich musste manches Zugeständnis machen, das mich in meiner Weiterentwicklung behinderte.
Verlorene Jahre? Ich glaube nicht, denn ich bin daran gereift. Ich bin ohne Zweifel im Begriff all das aufzuholen, was ich in den letzen fünfzehn Jahren hätte schaffen können, und derzeit ist ein Ende meiner Schaffenskraft nicht abzusehen. Das Leben verwöhnt mich zur Zeit, auch wenn es immer wieder ungewöhnlich aufregend bei mir zugeht, und dafür bin ich dankbar. Ich habe viel nachzuholen und möchte die Zeit nutzen, noch besser zu werden und mir neue Ausdrucksformen und Möglichkeiten zu erschließen. Über zwanzig Rubriken in der Bohne gehen zumindest teilweise auf mein Konto, und mir ist es wichtig nicht zu stagnieren und immer in alten Schematas haften zu bleiben. Ich würde mich sonst selbst am meisten nerven und die Abwechslung tut mir ganz gut.
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Vivienne