Am Ende der Alpinen Schi-Saison – Kritisch betrachtet

An diesem Wochenende findet das Finale der Alpinen Schisaison in Soldeu statt. Österreich kann sich im Besonderen Dank Marcel Hirscher wieder mit etlichen Kristallkugeln schmücken. Der Salzburger hat dieser Saison erneut seinen Stempel aufgedrückt. Mit der achten Kugel des Gesamt-Weltcups und dem Weltmeistertitel im Slalom hat er seine Klasse eindrucksvoll unter Beweis gestellt. Trotzdem merkt man, dass unser Parade Athleten jetzt am Ende der Saison ziemlich angeschlagen ist. Man muss kein großer Prophet sein, wenn man davon ausgeht, dass der erfolgreichste österreichische Schifahrer seit Hermann Maier seine großartige Karriere mit Ende der Saison beenden wird. Hirscher hat alles erreicht, was es zu erreichen gibt und als jungem Vater wird ihm wohl die Familie mittlerweile näher am Herzen liegen als viel Geld und hoch dotierte Werbeverträge. Finanziell ausgesorgt hat er ja ohnedies.

Wenn also Marcel Hirscher seine Rennfahrer-Latten abgeben wird, stellt sich die Frage wie es mit unseren alpinen Schifahrern weitergehen wird. Das Damen-Schi-Team ist ohnedies seit einigen Jahren schon von gewaltigem Verletzungspech verfolgt, dem auch die erfolgreichste Schiläuferin der letzten Jahre, Anna Veith, nun bereits zum zweiten Mal zum Opfer fiel. Ob die Super G Olympia-Siegerin von Sotschi ihre Karriere fortsetzen wird, steht auch noch in den Sternen. Aber ganz abgesehen davon: ohne Super Star Marcel Hirscher, der mit Gold am letzten Tag noch einmal die Weltmeisterschaft für Österreich gerettet hat, bleibt letztlich wenig von unseren Schifahrern über. Hirscher hat alles überstrahlt, wenn er gewonnen hat (und das hat er meistens), war für Schi-Österreich alles in Ordnung. Aber ohne den Seriensieger sieht es ziemlich dürftig aus für unser Land…

Manche mögen anmerken, dass Marcel Hirscher seine Karriere offiziell ja noch nicht beendet hat. Ich gehe aber nicht davon aus, dass der Salzburger noch ein Jahr anhängen wird – es fehlen die Herausforderungen. Nächstes Jahr steht ja nicht einmal eine WM oder ein anderes Großereignis an und ob sich in diesem Fall  Hirscher noch einmal motivieren kann, ist für mich mehr als fraglich. Welche Ziele setzt sich ein Top Schiläufer, der alles erreicht hat in seiner Karriere? Man darf ja nicht vergessen, dass Hirscher eine lange Zeitspanne immer auf höchstem Niveau gefahren ist. Wer, wenn nicht er – Hirscher hielt fast immer dem Druck stand und erfüllte die Erwartungen. Ein Schifahrer mit Hirn, der nichts dem Zufall überließ und immer am Setup tüftelte.

Hirscher genießt auch dank seines Ausnahmekönnens einen Sonderstatus im Schi Team. Ohne den, wage ich zu behaupten, wäre er nie das geworden was er ist. Ein anderer Schiläufer hingegen, den die Freunde des Schiports ebenso lange kennen wie Hirscher, fällt jetzt mit Ende dieser Saison aus allen Kadern. Romed Baumann galt am Beginn seiner Karriere auch als vielsprechendes Talent, hat sein Können aber nie so richtig unter Beweis stellen können. Zwei Kombi-Siege, ein paar Team-Medaillen, mehr blieb Baumann nicht. In all den Jahren war er vorrangig ein Mitläufer und hat sich von seiner Karriere sicher auch mehr erhofft. Ob Baumann weitermacht, steht auch noch nicht fest, aber falls ja, wird es nur Insidern auffallen: den Status von Superstar Hirscher hat Baumann nie auch nur annähernd erreicht!

Für mich ist Baumann ein Beweis dafür, dass manches nicht rund läuft bei den Alpinen. In den vergangenen Jahren und Jahrzehnten sind da sicher schon etliche Talente auf der Strecke geblieben. Sportler, die sich nach durchwachsenen Karrieren sang- und klanglos verabschiedet haben – wie etwa der Bruder von Doppelweltmeisterin Liz Görgl. Schade eigentlich. Österreich ist zweifellos ein Land der Schifahrer und könnte meiner Meinung nach weit mehr herausholen, wenn die nachdrängenden Talente entsprechend gefördert und aufgebaut werden könnten. Ein Jahrhundert-Talent wie Hirscher wird es unter diesen Umständen bestimmt nicht wieder so schnell in Österreich geben… Das liegt auch an den gewachsenen Strukturen im Verband. Auch dort wären Änderungen dringend nötig…

Nächste Saison beginnt im heimischen Schisport also vermutlich eine neue Zeitrechnung: das Jahr 1 nach Marcel Hirscher. Und entsprechend müssen die österreichischen Schi Fans auch ihre Erwartungen bezüglich großer Erfolge zurückschrauben. Ich fürchte, dass es da öfter lange Gesichter geben wird, aber lassen wir uns überraschen… Vielleicht nutzt ein heimischer Schiläufer die Gunst der Stunde und drängt nach Hirscher zum Platz an der Sonne!

 

Vivienne

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