Die TV-Serie „Alltagsgeschichten“ der Journalistin Elizabeth T. Spira gehört zweifelsfrei zu den Quotenhits unter den ORF-Eigenproduktionen. Auch ich selbst habe einen guten Teil der seit 1985 gedrehten Sendungen rund um den Würstelstand, das Wirtshaus, den Waschsalon und den Schrebergarten mitverfolgt.
Elizabeth T. Spira, Jahrgang 1942, promovierte 1972 an der Universität Wien als Publizistin. Laut Eigendefinition lautet der Grundsatz für ihre Produktionen, den Menschen zu vermitteln, daß sie ohne Angst und Scheu ihre Geschichten erzählen können. Andererseits hatte ich schon oftmals den Eindruck, daß den Menschen vor der Kamera nicht immer ganz klar ist, wie sie da herüberkommen.
Nehmen wir doch die neueste kurz nach Weihnachten gesendete Ausgabe der „Alltagsgeschichten“ über die Großfeldsiedlung zum Anlaß einer kurzen Analyse. Da wurde – wie einleitende Worte uns wissen ließen – über eine Satelittensiedlung im Norden der Großstadt Wien berichtet, die 30.000 Menschen beherbergt. Die Sendung lebt zu einem Großteil von Zitaten – anbei einige Kostproben.
Vor einer Schule:
„Filmt’s dort trüben, das ist mein Stiefexopa …“
(der Vater des Ex-Gatten der Mutter erklärte dann wie man zum „Stiefexopa“ wird)
Im Hof:
Spira: „Wovon träumen Sie denn?“
A: „Von einem reichen Mann mit Haus und Garten.“
Spira: „Glauben Sie das sie den hier finden werden?“
An einem Stammtisch:
Spira: „Was hättens denn gern für eine Frau?“
A: „Eine die nicht soviel redet, mit 60 gehören die Frauen eh weg …“
Auch die zu erwartenden Standardthemen für eine solche Sendung sollten nicht ausbleiben. Der eine beglagte sich über die zahlreichen Ausländer auf seiner Stiege, aber auch ehemalige Drogensüchtige und Messerstecher wurden zum Interview gebeten. Dass es für Arbeitslose über 50 schwer ist einen neuen Job zu finden ist bekannt, auch darauf wurde im Beitrag über die Großfeldsiedlung mehrfach hingewiesen.
Keine Frage, es gibt solche Menschen und es gibt auch keinen Grund diesen Umstand totzuschweigen – ganz im Gegenteil, es wäre sogar verwerflich dies zu tun. Sogesehen gehört Spira auch tatsächlich zu jenen Journalisten, die sich diesen Menschen widmen. Andererseits zählt natürlich auch die Quote und die negative Seite der Medaille ist sehe ich darin, daß eine Bevölkerungsgruppe auf gewisse „Typen“ reduziert wird. Auch den dargestellten Charakteren in der Großfeldsiedlung war wohl nicht wirklich bewußt, wie sie sich hier zugunsten der Volksbelustigung präsentieren.
Ein ähnliches Phänomen konnte ich auch in den „Liebesgeschichten & Heiratssachen“ beobachten. Das zweite Format hätte sich sich ergeben, da Spira im Zuge ihrer Recherchen „immer mehr einsame Herren getroffen habe, die sich bei ihr ausgeweint haben, dass niemand mehr für sich bügelt und kocht.“
Ich möchte aber auch klarstellen, daß es nicht Inhalt meiner Kolumne sein sollte die Sendungen oder gar die Journalistin Elizabeth T. Spira anzukreiden, mehr als den Aufruf zu einem Nachdenkprozess kann und soll eine Kolumne in der „Ansichtssache“ nie sein … Vielleicht noch abschließend ein Zitat von Elizabeth T. Spira aus einem Interview im STANDARD vom 27.12.: „Ich mache ganz traurige Sendungen. Doch manche Zuseher glauben, dass sie bei einer Sendung von der Spira lachen müssen. Dafür kann ich nix.“
Pedro