Im Islam gelten von jeher andere Regeln als bei uns. Davon weiß besonders Salman Rushdie, Schriftsteller und Autor der verfemten „Satanischen Verse“, ein Lied zu singen. Seit der Veröffentlichung seines mittlerweile bekanntesten Werkes lebt der Mann auf der Flucht. Mord wurde ihm für seine „religiöse Verunglimpfung“ angedroht und manchmal würde mich interessieren, ob Rushdie die Veröffentlichung seines Romans nicht schon hundert Mal oder öfter bereut hat. Ein halbwegs normales Leben kann er jedenfalls schon lange nicht mehr führen, denn die Moslems lassen nicht zu, dass ihre Religion „mit Dreck“ beworfen wird, und das betrifft auch die „Satanischen Verse“…
Zwölf Karikaturisten aus Dänemark, die sich an einer satirischen Darstellung des Heiligen Mohammed versucht haben, die in einer Zeitung veröffentlicht wurde, leben nun aus ähnlichen Gründen auch in Todesangst. Die Karikaturen wurden in den islamischen Ländern fast wie eine Kriegserklärung aufgenommen und abgesehen davon, dass für die Ermordung der dänischen Zeichner mittlerweile ein Kopfgeld ausgesetzt wurde, kriselt es deswegen auch in den internationalen Beziehungen gewaltig und einmal mehr müssen die USA mitmischen. Staunend schüttelt man hierzulande die Köpfe, wie wegen einer satirischen Darstellung eines islamischen Propheten der Weltfrieden derart erschüttert werden konnte.
Fast vergessen ist in dem Zusammenhang, dass vor ein paar Jahren der Kabarettist Josef Hader mit seiner satirischen Darstellung des Leben Jesu’ klerikale Kreise in Österreich in Aufruhr brachte. Ich kenne das Buch, es ist sehr nett und witzig gemacht und es stört mich nicht im Geringsten, dass Christus darin Marihuana rauchend dargestellt wird – die Kritik am Pharisäertum hingegen finde ich genial. Etliche, zart besaitete und vor allem sehr gläubige Menschen hingegen reagierten empört. Der Aufruhr in unseren Landen verlief sich zwar trotzdem rasch wieder, aber im Zusammenhang mit dem Vorfall in Dänemark und den ungeahnten Folgen weltweit habe ich versucht, die Angelegenheit in einem anderen Blickwinkel zu betrachten.
Meine Mutter etwa ist eine sehr religiöse Frau, sie selber wäre über das satirische Werk Josef Haders entsetzt gewesen – hätte sie es jemals vor Augen bekommen. Die unterschiedlichen Blickwinkel machen es wohl aus und auch wenn ich damals das Rauschen im Blätterwald nicht wirklich nachvollziehen konnte, muss man doch andererseits einräumen, dass ich eine sehr lockere Beziehung zur christlichen Religion pflege. Ich bin, sagen wir es mal so, „aufgeklärt“ und stelle manches um nicht zu sagen Vieles in Frage, das die Katholische Kirche predigt. Aber darf ich deswegen die Kritik anderer, die verletzt und erschüttert reagiert haben, völlig vom Tisch kehren?
Eigentlich nicht, wenn ich ehrlich bin, ich habe kein Monopol auf die Richtigkeit meiner Ansichten. Genau genommen müsste man den Kritikern schon die Möglichkeit geben sich zu äußern, das ist das Mindeste. Dieser Tage konnte ich auf VIVA wieder ein älteres Video von Nirvana aus dem Album „In Utero“ sehen, auch dort wurde ein Mann am Kreuz dargestellt und ich tat mir schwer, alles gut zu heißen, was ich darin sah, auch wenn ich mir durchaus bewusst bin, dass die Mannen um Curt Cobain damit nur provozieren und kritisieren wollten. Der Unterschied zu den islamischen Ländern liegt darin, dass bei uns Religion längst nicht mehr Staatssache ist. Heutzutage gilt man nicht mehr als Verfemter, wenn man aus der Kirche ausgetreten ist oder sich in der Schule von Religionsunterricht abgemeldet hat.
Kritik an, sagen wir mal, extremen Darstellungen kirchlicher Belange sorgen zwar noch für Interesse und ein relativ breites Medienecho, verflacht aber auch relativ rasch wieder. Im Islam ist das anders. Die Religion und der Staat sind eins, „Verunglimpfungen“ à la Salman Rushdie werden wie eine gezielte Diffamierung des Landes und der religiösen Werte gewertet. All das kann nur mit dem Blut der Übeltäter geahndet werden, und die zwölf Karikaturisten aus Dänemark werden in Folge begreifen müssen, dass diese an sich so harmlose Angelegenheit ihr Leben für immer verändert hat. Und sie mit einer akuten Bedrohung leben lernen sollten…
Auch wenn wir es hierzulande noch nicht so recht begreifen können: in den islamischen Ländern gehen die Uhren anders und es ist uns unmöglich das zu beeinflussen. Mehr als das müsste man sich eigentlich auch die Frage stellen, ob wir selber es gut heißen würden, wenn unsere Heiligen in einem nicht christlichen Land beleidigt werden… Ich fürchte nur, so manchem Österreicher wäre das sogar ziemlich egal – ein Zeichen dafür, wie sehr der christliche Glauben hierzulande an Bedeutung verloren hat, und auch an Glaubwürdigkeit. Ein wenig Feuer und Leben wie im Islam würde sich wohl so mancher kirchliche Würdenträger für die Katholische Kirche hierzulande auch wünschen…
© Vivienne