Josef, ein rüstiger Rentner und Stammgast des „Cafe Steiner“, hatte vergangenes Wochenende gemeinsam mit seiner Gattin die Stadt Venedig besucht. Durch ihre Mitgliedschaft bei einem Seniorenverband konnten die beiden auf ein günstiges Angebot zurückgreifen und hatten in einer Reisegruppe die italienische Metropole näher unter die Lupe genommen. Die Stadt Venedig hat wohl zweifellos einen besonderen Reiz und ihr könnt mir glauben, dass Josef es sich bei seinem nächsten Besuch im „Steiner“ natürlich nicht nehmen lassen wollte die Stammgäste mit durchaus ein wenig begeisterten Unterton an seinen Erlebnissen teilhaben zu lassen. In unserer heutigen Geschichte möchte ich aber nur auf ein winzig kleines, aber durchaus nicht uninteressantes Detail seiner Erzählungen näher eingehen.
So erzählte uns Josef, dass ihnen der Reiseleiter zu Beginn der Städtereise verraten hätte dass sich in Italien die Trinkgeldgewohnheiten in den letzten Jahren dahingehend geändert hätten, dass es kaum mehr üblich wäre dem Kellner beim Begleichen der Rechnung einen entsprechenden Obolus zu gewähren. Dass dies in Italien durchaus normal wäre hätte auch er auf seiner Reise so wahrgenommen – auch wenn so manche Reiseführer-Literatur noch anderes behaupten würde. Ich war zwar ein klein wenig überrascht, doch da mein letzter Aufenthalt in Italien schon viele Jahre zurückliegt, wollte ich auch nicht widersprechen. Josef meinte, dies wäre so zu erklären dass in Italien dafür das sogenannte „coperto“ verrechnet werden würde, das man sich wie eine Art Grundgebühr für das Gedeck vorstellen könne. Wenn ein Gast mit dem Service im Lokal besonders zufrieden war, könne er zwar ein paar Münzen spendieren, allerdings sollten diese nur unauffällig am Tisch liegen gelassen werden.
Helmuth sah nun offenbar seine Stunde gekommen ein wohl nicht weltbewegendes Thema auf seine für ihn typische Art an Brisanz zu bereichern. „Also wenn mich jemand fragen würde, ich wäre auch sofort dafür dass das Trinkgeld bei uns abgeschafft wird.“ war seine einleitende, nicht unbedingt allzu durchdachte Wortmeldung dazu. Nun sah sich Kellnerin Monika, die das Gespräch verfolgte, doch auch bemüßigt ihre Sicht der Dinge einzubringen. „Es zwingt dich kein Mensch Trinkgeld zu geben, Helmuth, aber wenn du zufrieden bist freu ich mich drüber. Und eines kann ich dir aber schon noch sagen, das Trinkgeld ist halt für die Kellner schon so was wie ein Einkommensbestandteil.“ Ich pflichtete Monika grundsätzlich bei, auch wenn ich mich an dem Abend nicht wirklich in die Trinkgeld Diskussion einbringen wollte. Natürlich werden in der Einkommensbasis eines Kellners Trinkgelder berücksichtigt, da das Grundentgelt in der Regel auch nicht allzu hoch ist. Im „Cafe Steiner“ hörte ich auf dieses Argument vereinzelt die Meinung, dass das nicht das Problem des Gastes wäre und andere Berufsgruppen auch kein Trinkgeld bekämen. Nun, ich zähle mich selbst zu einer Berufsgruppe, die kein Trinkgeld bekommt, doch drehte sich der Verlauf der Diskussion damit ein kleinwenig im Kreis.
Die Trinkgeldgewohnheiten in den europäischen Ländern sind, wie ich später nachgelesen habe, tatsächlich durchaus unterschiedlich. Je weiter nördlich in Europa, wie etwa in Skandinavien wo 5% der Rechnungssumme üblich sind, umso geringer sei das übliche Trinkgeld. In Spanien, Frankreich und Portugal wären 5 bis 10% üblich, in Italien, Island, der Schweiz oder den Niederlanden wäre Trinkgeld aber tatsächlich eher unüblich. Die bis zu 10% Trinkgeld, die auch in Österreich und Deutschland oftmals gegeben werden, kann man als Richtwert heranziehen – auch wenn natürlich zu erwähnen ist, dass Trinkgeld immer eine freiwillige Leistung des Gastes sein soll, der damit zeigen kann wieweit er mit dem Service zufrieden war. Abschließend möchte ich erwähnen, dass ich mit der heutigen Geschichte bestimmt nicht die Kellner als generell unterprivilegierte Gruppe darstellen wollte, da hier natürlich auch sehr viel von der Größe und Art des Lokals abhängen kann.
Pedro
Mit dem Trinkgeld ist das immer so eine Sache. Oft sind die Preise so konzipiert, dass der Gast aufrunden soll – nur ob er das auch möchte, ist immer so eine Sache. – Eine runde Geschichte wieder! Super! lg Silvia