Nächste Woche kommt ein Realfilm über den berühmtesten Kater der 80er Jahre, Garfield, in unsere Kinos. Natürlich war ich auch ein Fan des gefräßigen Katers, der am liebsten Lassagne verzehrt und – O-Ton – fett, faul und filosophisch durch das Leben geht. Und zwar so lange, bis unser Stocki geboren wurde, der ultimative Kater, roter Tiger auf vier Samtpfoten, zärtlich anschmiegsam und schnurrig, andererseits aber auch wild, gefährlich und eiskalt, wenn es um die Jagd auf eine Beute geht. Stocki ist Garfield und noch viel mehr, eine Katze, wie es kaum eine zuvor gegeben hat: der lebende Beweis, dass ein Schnurrekätzchen auch fast fünf Kilo schwer sein kann und nach der erfolgreichen Jagd auf ein Rebhuhn in meinem Bett Platz nimmt um ein gemütliches Schläfchen zu halten…
Stocki war noch sehr jung, als wir ihn auswählten. Seine Geschwister hatten wir gut untergebracht, aber keiner war so schön wie er. Er wuchs zu einem entzückenden Geschöpf heran, der Traum jeder weiblichen Katze im Umkreis von einigen Kilometern, wie man hätte meinen müssen. Doch Stocki hatte viele Rivalen, zumindest so lange bis ihn der Tierarzt seiner Männlichkeit beraubte. Ob er selber sehr darunter litt, weiß ich nicht, Stocki blieb halt in seinem Wesen ein Kind, verspielt und zärtlich, der aber auch seinen Killerinstinkt hervorholte, wenn es nötig war. Eine gefährliche Kombination, auch für einen Menschen. Wenn Stocki auf meinen Schenkeln saß und das berüchtigte „Nesterl treten“ begann, bei dem er seine Krallen immer tief unter die Jeans setzte, bekam ich manchmal schon blutige Kratzer. Von den Schäden an meinen guten Jeans erst gar nicht zu reden…
Eines Sonntags im Sommer werkte ich schon früh in der Küche. Ich würzte unseren Schweinsbraten und ließ das Stück Fleisch noch eine Weile liegen um die Gewürze „ziehen“ zu lassen. Das sollte den Geschmack verbessern. Ich wusch mir die Hände, trocknete sie ab und verließ die Küche. Fatalerweise ließ ich die Tür offen, aber ich dachte mir nichts Schlimmes dabei. Gerade fünf Minuten war ich im Wohnzimmer um das Fenster zu öffnen, als ich in die Küche zurückkehrte, traute ich meinen Augen kaum. Stocki stand auf dem Küchentisch, beschnupperte den Braten und biss zu. Im ersten Augenblick war ich starr vor Überraschung. Unglaublich, was sich dieser Kater traute. Dann rief ich seinen Namen, aber der Kater ließ sich nicht stören. Ich geriet in Rage und griff nach dem erst besten Stück, dessen ich habhaft werden konnte. Es war ein Milchhäferl, frisch abgewaschen, und aufgebracht schoss ich es nach meinem Kater.
Ein schmerzverzerrtes Miau zeigte mir, dass ich einen Treffer gelandet hatte. Stocki sprang vom Tisch und lief mit Schwanz auf halbmast an mir vorbei aus der Küche. Flink war er, unglaublich flink, wie man nicht hätte annehmen sollen, bei dem Gewicht, das er damals schon auf die Waage brachte. Ich hob das Milchhäferl auf, das auf dem Boden lag und widmete mich nun der ganzen Bescherung. Igitt, dachte ich mir. Natürlich könnte ich die „befressene“ Stelle wegschneiden, aber durfte ich diesen Braten dann der Familie noch zumuten? Einige Minuten war ich im Widerstreit, dann siegte die Vernunft. Ich schnitt wirklich ein tüchtiges Stück Fleisch weg und legte es auf die Seite, wusch den Braten ganz sorgfältig, rieb ihn noch einmal mit der Gewürzmischung ein und ließ ihn sofort im Herd verschwinden. Schnell auf mittlere Hitze geschaltet und hinter mir die Sintflut! Das Stückerl Fleisch mit den Fraßspuren von Stocki entsorgte ich ganz unten im Müll, und jetzt sollte noch jemand ahnen, was passiert war.
Ich blickte zufrieden um mich, als ich bemerkte, wie der Kater frisch und fröhlich wieder hereinspazieren wollte. Ich warf ihm einen bitterbösen Blick zu, sagte aber kein Wort. Stockis Fell sträubte sich, sein Schweif peitschte hin und her und er ergriff die Flucht, ja er ließ sich den ganzen Tag nicht mehr blicken. Zumindest nicht vor mir. Beim Mittagessen musste ich noch ein paar bange Momente überstehen. Meiner Mutter fiel nämlich sehr wohl auf, dass der Braten kleiner geworden war. „Es ist ein Wahnsinn, wie das Fleisch schrumpft, überall diese Hormone, dabei ist es vom Fleischer und nicht etwa aus dem Supermarkt!“ Meine Mutter konnte sich noch während der Mahlzeit nicht genug ärgern darüber, aber ich sagte kein Wort sondern versuchte viel mehr das Thema zu wechseln, was mir auch gelang. Dafür sang mir mein Vater ein Loblied. „Fein hast heute wieder gekocht! So ein super Geschmack.“ Ich selber hatte, wie Sie sich vorstellen können, wenig Appetit, und zog es verständlicherweise vor, mich den Semmelknödeln zu widmen. Aber das fiel niemandem auf…
Noch einmal Glück gehabt! Niemand von der Familie erkrankte an Salmonellen oder an der Mäusepest, ja, nicht einmal an Durchfall. Kater Stocki hatte den Vorfall einen Tag später noch nicht vergessen. Als ich ihn abends hereinließ, beäugte er mich misstrauisch und hielt einen Sicherheitsabstand ein. Nachdem er gefressen hatte, legte er sich auf das Fensterbrett und döste mit halbgeschlossenen Augen. Wie er so friedlich dalag und leise schnurrte, war ich ihm auch nicht mehr böse. Ich ging zu ihm hin und streichelte ihn sanft. Sein Schnurren wurde lauter und erdreht sich auf den Rücken um mir seinen Bauch zu präsentieren, seine verletzbarste Stelle. Also schloss ich wieder Frieden mit ihm und Stocki hat keinen Braten mehr überfallen – aber nur, weil ich seither vorsichtiger bin!
Vivienne