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31.08.2005, © Vivienne

Die Brücke

Ich stehe an der Brücke.
Die Sonne lacht vom Himmel.
Herrliches Blau.
Mit letzter Kraft des Sommers.
Überirdisch schön fast.
Weit und breit keine Wolke.
Ich blicke ins Wasser.
Die Donau glitzert.
Als ob tausend Diamanten auf den Wellen sitzen.
Die Helligkeit blendet fast.
Betörend.
Ich schließe die Augen.
Einen Moment.
Und spüre die Wärme.
Das Leben.
Ja, jede Faser in mir lebt.
Freut sich zu leben.
Eine Glückswelle wogt in mir.
Strahlender als alle Edelsteine.
Du liebst mich.
Was ich nicht mehr zu hoffen wagte.
Geliebt zu werden.
Wahrhaft…

Meine Gedanken schweifen zurück.
Ich erinnere mich.
Es ist fast vier Jahre her.
Da stand ich auch an der Brücke.
Es war neblig.
Dunkel.
Und bisweilen nieselte es.
Ich starrte ins graue Wasser.
Die Kälte fraß sich durch meine Jacke.
Ich fror.
Und ich dachte an ihn.
Der mich belogen und verraten hatte.
Und benutzt.
Obwohl ich ihn doch so liebte.
Hinter der harmlosen Fratze nur Lüge.
Und Berechnung.
Ich wollte sterben.
Ich wollte springen.
Mehrmals umkrampften meine Hände das Geländer.
Jetzt!
Jetzt tu ich’s!
Mein Blick verlor sich im dunklen Grau der Donau.
Da hörte ich Schritte.
Jemand kam auf mich zu.
Ich erschrak.
Plötzlich war ich wieder im Leben.
Ein Moment genügte.
Ich warf mein Leben nicht weg…

Ich blicke weiter auf das Wasser.
Ein Schiff fährt stromaufwärts.
Mein Blick folgt ihm.
Seither ist viel passiert.
Ich hab ihn abgestreift.
Wie einen löchrigen Schuh.
Und ich war allein.
Sehr allein.
Ich lebte die Einsamkeit.
Und pflegte die Wunden.
Ich tat mir auch selber leid.
Er war es nicht wert.
Aber das begriff ich nur nach und nach.
Ich glaubte nicht mehr an die Liebe.
Nicht für mich.
War sie je gut zu mir gewesen?
Diese… Liebe… ?
Ich denke nicht.
Bis ich dich traf.
Beiläufig.
Ohne Erwartungen.
Sogar ziemlich brüsk.
Ich ließ dich mal links liegen.
Einfach so.
Aber du hast dich in mir verbissen.
Und nun lass ich dich nicht mehr los.

Plötzlich stehst du hinter mir.
Hier auf der Brücke.
Ich spüre deine Hand.
Auf meiner Schulter.
Und deinen Atem im Gesicht.
Und dein warmes Lächeln auf meiner Seele.
Wie ein wohliges Streicheln.
Lehne ich mich an deine Brust.
Verlier mich in dir.
Und bin froh.
Dass ich mich nicht im Wasser verlor…
Damals…

Vivienne/Gedankensplitter

 

 

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