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30.09.2005, © Vivienne

Eine Geistergeschichte

Es gibt mehr Dinge zwischen Himmel und Erde als sich unsereins oft erträumen lässt. Merkwürdige Begebenheiten, die sich dann doch erklären lassen, irgendwie, und so manche Geschichte, bei der Hardcore-Skeptikern dann doch die Worte fehlen. Ich habe schon einmal einer meiner Beiträge aus der bunten Welt diesen Mysterien gewidmet und auch heute steht eine kaum logisch nachvollziehbare Begebenheit im Mittelpunkt des Geschehens. Bizarr und gruselig – aber gibt es nicht vieles, das sich unserem Verständnis entzieht, immer wieder?

Das wurde mir bewusst, als mein Schwiegervater, ein an sich bodenständiger Mann, der mit beiden Beinen im Leben steht, mit einer Erzählung aus seiner Jugend erreichte, dass ich mitten im Sommer eine Gänsehaut bekam. Obwohl die Sonne ausnahmsweise einmal schien. Alis Vater hat Verwandte in Kärnten, die mein Mann und ich schon öfters besucht haben. Als junger Mann mitten in der Hippyzeit, vor mehr als 35 Jahren, verbrachte sein Vater auch ein paar Jahre einen Sommer in dem schönen Land. Eine seiner Verwandten, eine Cousine, hatte sich nach dem Unfalltod ihres Mannes im späten Winter jenes Jahres immer mehr zurückgezogen. „Obwohl noch jung und sehr hübsch ging sie kaum mehr unter die Leute. Eine schlimme Sache.“ Der Mann schwieg in Gedanken.

„Einmal, es muss an einem sehr schönen Sommertag im Juli gewesen sein, machte ich mich auf den Weg zu dieser Cousine. Ich wollte sie einladen, mit zu einem Fest zu kommen, das am Wochenende in diesem Marktflecken stattfinden sollte. Damit sie sich nicht so abkapselte. Mit dem Fahrrad fuhr ich hin und das einsame Familienhaus, das etwas in der Einschicht stand, flößte mir ehrlich gesagt schon etwas Unbehagen ein. Das dachte ich mir, obwohl ich kaum ahnen konnte, was mir gleich dort passieren würde.“ Alis Vater machte eine kurze Pause. „Ohne Umstände betrat ich dann das Haus durch die unversperrte Tür und begann nach meiner Verwandten zu rufen. Sie meldete sich allerdings nicht und gerade als ich schon wieder gehen wollte, fiel mir auf, dass der Boden hinter mir knarrte. Und das schon die ganze Zeit, wie mir  erst jetzt bewusst wurde.“

Mein Schwiegervater schwor bei der Erzählung Stein und Bein, dass er dauernd das merkwürdige Gefühl hatte, es würde noch jemand im Raum stehen. „Plötzlich wurde die Tür aufgerissen, es war meine Cousine selber und sie sah kreidebleich aus. Verschwinde endlich! Verschwinde! Geh, hörst du? Geh! Ich wusste nicht wie mir geschah. Sie sah nämlich dabei mich nicht an, sie blickte an mir vorbei, in Richtung der zweiten Tür im Raum, also gewissermaßen ins Nichts. Und sie schrie weiter: Hörst du nicht? Geh! Zum Teufel mit dir!“ Mein Schwiegervater schüttelte sich in Erinnerung, seine eigene Erzählung hatte ihn gepackt. Dann nahm er den Faden wieder auf. „…sie griff kurzerhand nach dem Krug, der auf der Anrichte stand und schleuderte ihn ins Nichts. Er fiel nach kurzem Flug zu Boden und zerbrach klirrend in tausend Stücke. Die Frau schluchzte laut auf und begann zu wimmern: Geh doch! Geh doch! Willst du mich unglücklich machen? Reicht dir nicht, dass du mich zerstörst? Soll ich auch sterben, so wie du? Geh doch endlich!“

Mein Schwiegervater bekam selbst während der Schilderung noch eine Gänsehaut. „Plötzlich hörte ich Schritte, die Tür weiter vorn ging ein Stück auf und fiel dann wieder zu. Ich schwöre euch, dass ich nicht lüge.“ Seine Cousine beruhigte sich nach einer Weile wieder und was sie ihrem jungen Verwandten unter dem Siegel der Verschwiegenheit anvertraute, klang obskur und unglaublich zugleich, aber immerhin war er selber Zeuge eines unerklärbaren Phänomens geworden. „Meine Cousine vertraute mir an, dass der Geist ihres verunglückten Mannes hier im Hause schon die ganze Zeit spukte. Sie hatte relativ schnell nach seinem Tod gespürt, dass er immer irgendwie gegenwärtig war und schließlich war ihr bewusst geworden, dass er auch ihre Gedanken zu beeinflussen begann, mit ihr kommunizierte. Das war das Schlimmste, weil sie sich dagegen nicht zu wehren vermochte. Aber sie hatte keine Ahnung, was sie wirklich in dieser Situation tun konnte. Wer würde ihr denn glauben?“

Starker Tobak, in der Tat, und wir alle fühlten uns ein wenig mulmig. „Was ist dann passiert?“ traute ich mich schließlich doch zu fragen. Alis Vater zuckte die Achseln. „Meine Cousine kam zu dem Fest am Wochenende, sie wirkte viel gelöster und als ich sie heimlich fragte, erzählte sie mir, dass der Geist ihres Mannes tatsächlich verschwunden wäre. Seit der Szene, deren Zeuge ich geworden war. Für einen Moment fragte ich mich schon, ob sie mich nicht doch einfach nur hinters Licht geführt hatte, aber ihre Verzweiflung an dem Tag war so echt gewesen – warum hätte sie die für mich spielen sollen? Sie hatte ja nicht einmal eine Ahnung gehabt, dass ich kommen würde!“ schloss er die Geistergeschichte ab. Ein unheimliches Erlebnis, in der Tat, aber vielleicht ganz normal in einer Dimension, in die wir in diesem Leben nicht vordringen werden…

Vivienne

 

 

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