Neue Bohnen Zeitung


von Vivienne  –  Jänner 2004



Männer – eine seltsame Spezies

Genau das dachte ich mir, als ich vor ein paar Wochen Freitagnachmittag von der Arbeit nach Hause gekommen war. Albert hatte länger arbeiten müssen, darum befand ich mich gegen 16:00 Uhr auch vorerst allein in meiner Wohnung. Dabei war mein Bedürfnis eigentlich sehr groß, mit Albert zu reden, denn ich war schon einigermaßen schockiert von den Geschichten meiner Kolleginnen. Speziell Kerstin tat mir wirklich leid…

Kerstin war ein junges Mädel, Mitte Zwanzig, groß gewachsen mit hellbraunem Haar. Eine nette Kollegin, die sich einen Monat vor Weihnachten von ihrem langjährigen Freund getrennt hatte. Fast sieben abwechslungsreiche Jahre hatte die Beziehung überdauert, ehe Kerstin die Flucht nach vorn antrat. Ihr Freund hatte schon längere Zeit auf ein gemeinsames Kind gedrungen, und irgendwann war der jungen Frau bewusst geworden, dass sie erstens noch kein Kind wollte und zweitens, dass der Mann, mit dem sie die letzten Jahre verbracht hatte, sicher nicht der war, mit dem sie den Rest des Lebens verbringen wollte. Adieu, mein  Schatz….

Diese Trennung hatte trotz der Einvernehmlichkeit in Kerstins Leben ein ziemliches Loch hinterlassen. Isolde, eine gemeinsame Kollegin, hatte ihr geraten, auf einer Single-Seite im Internet nach einem möglichen neuen Partner zu forschen. Kerstin war schnell fündig geworden, ein sensibler Krebsgeborener, der gerade auf dem 2. Bildungsweg die Matura nachholte, schneite so zehn Tage vor Weihnachten in ihr Leben. Und obwohl Kerstin weiterhin mit Argusaugen verfolgte, was ihr Verflossener so trieb, begann sie ihrerseits eine Romanze mit Siegfried aus Marchtrenk…

Gedankenverloren schaltete ich den PC ein und öffnete im Internet die Singles-Seite, die uns Kerstin vorhin gezeigt hatte. Genau, da war Siegfried, 29 Jahre alt, Maschinenschlosser, blond und über 1,80 groß. Siggi hatte ein nettes Foto von sich auf die Seite gestellt, und etliche Postings von Mädels bis 30 bewiesen, wie Siggi auf das andere Geschlecht wirkte. So ein Schlitzohr! dachte ich mir. Das sieht man ihm gar nicht an. Ich wollte eben auf eine andere Seite klicken, als ich eine Hand auf meiner rechten Schulter spürte.

Erschrocken drehte ich mich um und blickte in Alis amüsiertes Gesicht. Ich hatte ihn gar nicht kommen hören. „Na, mein Schatz! Gibt es etwas, das ich wissen sollte?“ Unvermittelt musste ich lachen, während mich Ali zur Begrüßung küsste und mit der anderen Hand die Seite wegklickte. „Ich kann dir alles erklären!“ schmunzelte ich, da mir klar war, was Ali für einen Eindruck haben könnte. „Das ist die Flamme von Kerstin gewesen, dieser Bursche, den sie Mitte Dezember kennenlernte. Du erinnerst dich doch, Kerstin, die Kollegin, die ihrem Freund den Laufpass gegeben hatte.“

In Alberts Gesicht regte sich die Erinnerung. „Genau! Die Emanzipierte, die draufgekommen ist, dass sie mit ihm nicht alt werden will.“ Albert grinste boshaft. „Und das ist ihr Neuer?“ In komischer Verzweiflung zog ich eine Grimasse. „Nein, Ali, ich glaube nicht. Sie haben sich  zwar ein paar Mal getroffen und geknutscht und dauernd telefoniert und SMS geschickt, was weiß ich. Und zu Silvester haben sie sich auch noch getroffen, also sie war echt happy.“ Ich klickte die Seite mit den Singles wieder auf.

„Schau, Ali, der Bursch wollte nie, dass sie ihn anruft sondern er. Und als sie neulich so ein bissl einen Vorstoß wagte, ob sich da nicht was Ernsthaftes entwickeln könnte zwischen ihnen, ist er auf Tauchstation gegangen.“ Ich zuckte die Achseln. „Trotz der ganzen Knutscherei und der Tatsache, dass die beiden zu Silvester beinahe im Bett gelandet wären, wenn er nicht auf der Couch eingeschlafen wäre, redete er plötzlich nur mehr von Freundschaft. Und auf einmal rührte er sich nicht mehr.“

Ali wechselte wieder die Seite im Internet. „Na, der Bursch wird kalte Füße bekommen haben. Ganz klar.“ Mein Freund zwinkerte mich an. „Sie wollte ihn an die Leine nehmen und er hat sich aus dem Staub gemacht. Glaubst du überhaupt, dass das gut gegangen wäre? Sie spioniert ihrem Ex noch immer nach und hält nebenbei schon Ausschau nach einem Neuen. Frauen, sage ich nur!“ Ich musste schmunzeln, fuhr aber trotzdem entschieden fort. „Alles ist ganz anders, Albert. Und wir sind durch Zufall dahinter gekommen. Lass dir erzählen…“

Ich öffnete wieder die Singles-Seite und zeigte Albert die Seite von Siggi noch einmal. „Kerstin hat sich heute Abend in der Arbeit ausgeweint. Und schließlich bot ihr Isolde an, ihr dabei zu helfen, diesem Burschen, der sich so plötzlich aus dem Staub gemacht hatte, einen Denkzettel zu verpassen. Isolde rief also diesen Siggi an um sich so mit ihm zu einem Blind Date in der Linzer Nachtschicht zu verabreden, zu dem sie dann nicht kommen wollte. Aber als sie am Handy anrief, meldete sich eine Frauenstimme, offenbar ein Mädchen, ganz außer Atem.“

Albert verschränkte die Arme und war ganz Ohr. „Weißt du, Ali, Isolde war so überrascht, dass sie auflegte. Zwei Minuten später rief sie noch mal an, mit eingeschaltetem Mikrophon, damit wir mithorchen konnten, und wieder hob das Mädel ab.“ Ich räusperte mich, und fuhr dann langsam fort. „Daraufhin schlug ich vor noch mal anzurufen. Immerhin konnte ja die Nummer falsch sein. Aber diesmal meldete sich Siggi selber, etwas genervt, und mit vollem Namen.“ „Hast du auch aufgelegt?“ wollte Ali wissen. Ich schüttelte den Kopf. „Ich tat ganz erstaunt und wies darauf hin, dass ich eigentlich einen Josef Karlinger, der Name war mir gerade eingefallen, sprechen wollte – so auf falsche Nummer halt.“

Ali antwortete zuerst nicht. „Wie denkst du darüber?“ fragte ich ihn. Mein Freund antwortete nicht. „Weißt du“, legte ich meine Überlegungen offen, „der Verdacht ist mehr als nahe liegend, dass dieser Siggi gar kein Singles ist. Seine Freundin – und die dürfte nämlich abgehoben haben – hat keine Ahnung von seinem Doppelleben: dass er auf dieser und vielleicht auch auf anderen Singleseiten postet und sich mit anderen Mädchen amüsiert. Das ist wie bei dir in der Firma mit euren drei Vertretern – Schmidt, Grünbauer, und Weiß hieß, glaub ich, der dritte, erinnerst du dich?“ Ich stieß Ali an den Arm. „Die hatten doch zu dritt eine Wohnung gemietet, nicht wahr, in der sie am Wochenende abwechselnd Frauen abschleppten. Und die lieben Gattinnen hatten keine Ahnung…“ gab ich mich kurz den Gedanken hin.

Albert klickte das Konterfei von Siggi nun mehr mit Nachdruck weg und nahm mich in den Arm. „Du hast ja keine Ahnung, Vivienne. Alle Männer machen das so! Auch ich!“ Meinen Protest erstickte er im Keim. „Dutzende Mädchen treffe ich unter der Woche, ich koste hier und ich koste dort.“ Albert grinste mich spitzbübisch an. „Aber weißt du was, Vivienne? Du bist meine Hauptspeise. Zu dir komm ich immer wieder.“

Vivienne

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