von Vivienne – Juli 2004
Die Zuträgerin
Es gibt immer wieder Situationen im Leben, wo man unschuldig zum Handkuss kommt, in ein Fettnäpfchen tritt und dann – wie man so schön sagt – blöd dasteht. Davon ist niemand gefeit, und im Falle des Falles muss man da eben durch, wenn man unabsichtlich wie unschuldig im schiefen Licht steht. Aber das trifft nicht auf alle zu. In jeder größeren oder kleineren Firma gibt es auch jene schiefe Spezies von Menschen, die durchtrieben wie im Zwielicht ihre lieben Kollegen mit Schmutz bewerfen um sich selber eine gute Position im Unternehmen zu schaffen. Und das funktioniert großartig, solange diese Zweigleisigkeit nicht auffällt, und wenn manch einer rätselt, wieso x fast wie von selbst Karriere macht oder ein viel üppigeres Salär bezieht als man selbst, liegen die Gründe meist im Verborgenen, obwohl sie eigentlich so einfach wären.
Denn ein Chef honoriert es meistens, wenn er weiß, was unter den Angestellten für ein Wind weht
Kurz nach Ostern war ich mit Albert wieder einmal in Steyr. Neben dem obligaten Besuch bei seiner Tochter Melanie nahmen wir uns wieder viel Zeit, für Schaufensterbummerln, für ein gutes Mittag- und Abendessen und zum Inhalieren des Flairs der Altstadt. Irgendwie gerieten wir in eine Art Flohmarkt und als ich die teilweise wunderschönen Sachen musterte, stieß mich Ali plötzlich mit dem Ellbogen an. Das gibts doch nicht. Ich zog die Augenbrauen hoch. Was meinte er? Mein Freund nahm mich bei der Hand und zog mich halb hinter einen Stand. Schau doch! flüsterte er. Da steht sie. Ich folgte seinem Zeigefinger mit den Augen und erblickte eine eher kleine, schmale Person, mit blonden Locken und einem harmlosen Gesicht. Fast ein Engerl, hätte man sagen können
Fast. Denn ich kannte diese Frau etwa um die Dreißig genau. Das wusste ich, obwohl ich sie im Moment nicht einordnen konnte. Nur das Gefühl, das in mir aufstieg, während mein Gehirn meine Datenbank durcharbeitete, wurde immer negativer. Ali grinste mich an. Na? Uschi Öster heißt das Früchtchen, erinnerst du dich? Außen hui, innen pfui. Natürlich, die kleine Verkäuferin aus unserer Großhandelsfirma, die sich zu gut für jeden gröberen Handgriff war und doch von vielen Kunden heiß geliebt wurde, die ihrer hübschen Larve auf den Leim gegangen waren. Kein Wunder, wo anscheinend die halbe Welt nur ganz oberflächlich nach dem Äußeren ging. Dass Albert selber nicht gut auf die blonde Grazie zu sprechen war, hatte im Übrigen einen besonderen Grund. Ich begann mich zu erinnern
Albert hatte, noch relativ jung in der Firma, nach einem Missverständnis von Rossecker eine auf den Deckel bekommen. Rossecker hatte einfach einen schlechten Tag gehabt, meine ich heute, und Albert auch, denn er war übertrieben sauer auf ihn gewesen, so sauer, dass er im Jausenraum ein paar deftige Äußerungen über ihn los ließ. Ich weiß es noch genau, wir waren fünf Leute gewesen: Albert, Toni, ich, die Bedienerin, die die Tür putzte und eben Uschi, die sich von Albert eine Zigarette schnorren wollte aber keine bekam. Dunkel glaube ich mich zu erinnern, dass sie eigentlich von Anfang an ein wenig mehr von Ali haben wollte, weit mehr, als dieser überhaupt ahnte. Das, und die verweigerte Zigarette mein Freund hatte selber nur mehr ein paar dürften wohl den Ausschlag gegeben haben, dass sie noch am selben Nachmittag im Büro des Chefs sehr geschickt ein paar Dinge erzählte, die ein schiefes Licht auf Albert warfen. Die Chefsekretärin bestätigte Albert später, dass das blonde Gift im Büro aufgetaucht war, wie sie es öfter in der Woche tat.
Albert wurde ins Büro zitiert musste sich eine ordentliche Standpauke anhorchen, mehr als das, Rossecker stellte ihm die Rute ans Fenster. Falls er so weitermachen würde, hätte er keine Zukunft im Unternehmen. Ali kam mit puterrotem Gesicht wieder heraus und musste nicht lange überlegen, wer ihn da beim Chef angeschwärzt hatte. Und wohl allgemein nicht zum ersten Mal jemanden verschuftet hatte, den sonst hätte sie bei ihrer fast sprichwörtlichen Faulheit schon längst Probleme bekommen. Nur bei der gespielten Harmlosigkeit wäre wohl nicht so schnell jemand auf den Gedanken gekommen, dass Uschi als so genannte Gegenspionin die Leute in der Firma auseinander brachte und beim Chef an den Pranger stellte. Albert war so verärgert damals, dass er Uschi denunzierte, also ganz gezielt auf Konfrontationskurs zu ihr ging.
Mit der Zeit begannen immer mehr Leute das blonde Luder zu schneiden, was Uschi zunächst noch als gemeinen Mobbingversuch an ihr darzustellen versuchte. Rossecker blieben die wahren Zusammenhänge nicht verborgen und trennte sich nach einer Weile von ihr. Erstens, weil sie wirklich stinkfaul war und zweitens, weil sei ihm enttarnt völlig wertlos geworden war. Ali hatte sich rehabilitiert. Trotzdem sah er sie nicht gerade freundlich an, als sie mit einem mittelgroßen Mann mit grauen Schläfen direkt an uns vorbeikam. Albert blickte ihr mitten ins Gesicht, so dass sie unwillkürlich aufsah. Als sie Albert erkannte wurde sie sichtlich blass und nervös und drängte ihren Partner weiter zugehen. Der verstand den plötzlichen Stress nicht und schüttelte unwillig den Kopf.
In diesem Moment preschte Albert vor. Uschi, mein Herz! Bist dus? Ich musste schmunzeln, so ein falscher Fuffziger! Uschi sah ihn völlig entgeistert an, während Ali stur auf sie zumarschierte und sie umarmte. Uschi löste sich mit verkniffenem Gesichtsausdruck aus seinen Armen und warf ihm wütende Blicke zu. Vorsichtig ging sie zwei Schritte zurück. Aber Ali machte mit seiner Vorstellung noch nicht Schluss. Was hab ich dich vermisst. Warum hast du mich nicht mehr angerufen? Uschis Blicke zündeten gerade brennende Pfeile und ihr Begleiter war völlig verdattert. Schließlich zischte Uschi giftig Ich kenne Sie nicht! und stellte sich demonstrativ neben ihren Freund. Albert zog eine Unschuldsmiene und zuckte die Achseln. Also, dann muss ich Sie wohl verwechselt haben Drehte sich um und kam zurück zu mir. Sein Grinsen zog sich von einem Ohrläppchen zum anderen als er mich in den Arm nahm und küsste. Was für ein Heidenspaß!
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