Neue Bohnen Zeitung


von Vivienne  –  Februar 2005


Überstundenregelung  –
Zwischen Realität und Minderheitenrecht

Die Wirtschaftskammer traut sich was. Und sie rüttelt mit Brachialgewalt an alt eingesessenen, wohl erworbenen Rechten der Arbeitgeber. Die Tagesarbeitszeit soll zum Beispiel erhöht werden, de facto gesteigert auf zehn Stunden am Tag. Und noch so etwas Unerhörtes wird gefordert: Überstunden sollen nicht mehr ausbezahlt werden sondern nur mehr in Form von Zeitausgleich vergütet werden. Und das alles sogar im Kollektivvertrag geregelt! Bald wird das Bettgeherunwesen wieder umgehen! hätte der selige Staberl der Kronenzeitung in diesem Zusammenhang und voll Zynismus noch ein Schäuferl nachgelegt. Man mag sagen was man will über dieses Unikum von Österreichs größter Tageszeitung, aber bisweilen hat er schon den Nagel auf den Kopf getroffen. Lassen Sie mich zu meinen eigenen Gedanken darüber ausholen…

Bevor ich mich der angepeilten Überstundenregelung im Detail widme, möchte ich noch ein paar Worte zur Tagesarbeitszeit verlieren: in jenem Call Center in Linz, in dem ich einige Zeit – wie Sie mittlerweile sicher wissen – fast als Sklave mein Dasein gefristet habe, war es an der Tagesordnung, dass ich zu Spitzenzeiten und bei erhöhtem Bedarf auch zwölf Stunden und länger arbeiten musste – und nicht nur ich. Aber wie schon öfter erwähnt in anderem Zusammenhang: kein Hahn krähte danach, es kümmerte weder Arbeiterkammer noch Gewerkschaft ernsthaft. Und man muss fairerweise eines dazu sagen: wäre es in dem jungen, aufstrebenden Unternehmen daneben halbwegs gerecht, menschlich und anständig hergegangen, wäre uns Agents diese katastrophalen Umstände auch gar nicht so sauer aufgestoßen. Aber der Punkt war: das ist es nicht, nie, in keinster Weise…

Doch zurück zur geplanten Überstundenregelung. Ich muss immer versonnen grinsen, wenn ich in den Medien darüber informiert werde, dass Überstunden normalerweise ausbezahlt werden müssen und nicht in Zeitausgleich vergolten werden dürfen. Wo, bitte, wird denn das noch gehandhabt, wenn nicht in irgendwelchen geschützten Bereichen, von denen Kollege Einstein dieser Tage in seinem Beitrag „Gedanken zu den Heiligen Kühen“ berichtete? Ich kenne keine Überstundenpauschale, und nur in einem einzigen Fall vor einigen Jahren wurden mir einmal Überstunden ausbezahlt. Und zwar, als ich ein Projekt eines Vereins, der der linken Parteienhemnisphäre zugerechnet werden darf, verließ. Also auch nicht unbedingt repräsentativ für unsere Arbeitswelt.

Im Grunde ist es so, dass ich bis auf diesen einen Fall Überstunden immer als Zeitausgleich konsumiert habe, und da fuhr auch der Zug drüber. Ich finde diese eigenständige wie interne Regelung überhaupt nicht schlecht, wenn ich ehrlich bin. Schnell einmal ein paar Stunden früher weg von der Arbeit, weil man was erledigen muss oder einmal später in die Arbeit, weil man am Vorabend bei einem Konzert war – wem tut das weh? Mir nicht, und den meisten anderen Leuten, die ich kenne, genau so wenig. Genau genommen muss ich die Überstunden gar nicht ausbezahlt bekommen, weil mir diese Handhabung fast noch lieber ist als Bares. Ich bin also voll und ganz mit dem zufrieden, wie das üblicherweise läuft, so auch in meiner jetzigen Firma.

Wie so oft verstehe ich daher das Vorpreschen der so genannten Arbeitnehmervertretung in einem derartigen Fall nämlich überhaupt nicht, und der Verdacht drängt sich mal wieder auf: es geht ja auch nicht um uns gemeines Fußvolk sondern nur um die Privilegierten (Beamten, Eisenbahner, Metaller und Co) und deren Heilige Kühe, die unantastbar bleiben sollen. Selbst wenn die Gewerkschaft (man muss wohl genauer sagen: einige wenige Sektionen davon) diese „offizielle“ Änderungen für ihre Bereiche verhindern können: für die Normalsterblichen ändert sich dabei nichts. Die brauchen gar keinen Gedanken daran verschwenden, dass sie einmal ihre Überstunden in Form von Geld am Konto genießen dürfen. Darauf legt aber die Gewerkschaft auch gar keinen Wert, wie es scheint.

Man droht mit Streiks und schützt doch nur ein paar Berufsgruppen, in denen man stark repräsentiert ist. Für mich stellt sich da halt die Frage – und ich war selber einmal ein paar Jahre Gewerkschaftsmitglied – wozu gibt es außerhalb jener privilegierten Bereiche überhaupt gewerkschaftliche Sektionen, wenn ohnedies nichts geschieht, ja, nichts geschehen würde, selbst wenn dort die zahlenden Mitglieder sprunghaft ansteigen würden? Ein Mysterium fast, muss man sagen. Die Erfahrung hat mich kleine Angestellte immer wieder gelehrt: Weder AK noch Gewerkschaft können dir wirklich helfen (außer beim Rezitieren von schwer durchschaubaren Gesetzestexten!), wenn es drauf ankommt kann man nur den Konsens mit dem Dienstgeber suchen – der bringt noch am meisten.

Vivienne

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