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21.05.2005, © Vivienne

Songcontest 2005 – Die Schlacht ist geschlagen

Gestern Abend stieg also das erwartete Megaspektakel des Eurovision Songcontest in Kiew, ein Event, dass mehr und mehr für die östlichen Länder interessant zu werden scheint, wie man so hört und an dem die „Gründerstaaten“ zunehmend das Interesse verlieren. Zumindest glänzten heuer Italien und Luxemburg durch Abwesenheit, und die arrivierten Staaten von Deutschland bis Frankreich belegten geschlossen wie abgeschlagen die letzten vier Positionen. Doch dazu später. Wie angekündigt habe ich mir gestern diese Show angesehen, es war nicht leicht durchzuhalten, da ich bei der Wertung mehrmals fast eingeschlafen wäre. Was aber nicht an der fehlenden Spannung lag, ganz im Gegenteil, die Wertung wurde ja mehrfach auf den Kopf gestellt…

Die Eindrücke, die ich während des gestrigen Songcontest von den unterschiedlichen Acts sammelte, bestätigte meine Erkenntnisse, warum Österreichs Vertreter, die Global Kryners, scheitern musste. Zu bizarr um nicht zu sagen skurril nahm sich die Truppe gegenüber den durchwegs an gängigen Rock- und Poprhythmen orientierten Sängern aus. Auch ihr Dirndl-Outfit ließ Sängerin Sabine gegenüber den großteils sehr sexy gekleideten Konkurrentinnen ziemlich alt aussehen. War ein netter Versuch, aber ich denke doch, das Alf Poier auch heuer sicher bessere Figur gemacht hätte…

Nun zur Wertung selbst. Mein persönlicher Favorit war die israelische Sängerin Shiri Maimon mit einem wunderschönen Song, der letztlich mit Rang vier belohnt werden sollte. Dazwischen war die blonde Künstlerin auch mal an der Spitze gelegen, aber gerade währende der ersten Hälfte der Wertung wechselte die Nummer.-1- Position oft. Auch die Schweizer „Gastarbeiter“ Vanilla Ninja aus dem Gastgeberland Ukraine schienen einige Runden lang an aussichtsreicher Position zu liegen. Geblieben ist dann der achte Rang, mit dem die Schweizer selber an sich recht zufrieden sein können. Wobei ich mich aber frage, ob sich nicht die bekannte Truppe, die schon länger europaweit die Hitparaden stürmt, selber mehr erwartet hat…

Gewonnen hat die schöne Griechin Helena Paparizou, die für mich persönlich ein wenig wie die aus der Antike bekannte schöne Helena gestylt war. Und ihr Herantasten an die Spitze – lange war die favorisierte Sängerin gar nicht unter den ersten Fünf gelegen – trug mit zu der Spannung bei, die der gestrigen Wertung nie verloren ging. Immerhin konnten sich einige Zeit auch Länder wie Lettland, Rumänien oder Malta berechtigte Hoffnungen auf den Sieg machen. Die Maltesterin Chiara eroberte mit einer Ballade letztlich den zweiten Platz, die rumänische Gruppe landete dahinter auf Platz drei und für Lettland blieb hinter Israel der noch immer sehr respektable fünfte Rang.

Alles in allem haben die Frauen im gestrigen Spektakel den Ton angegeben, da sie gleich die beiden Spitzenpositionen erobern konnten und auch sonst durchwegs im Vorderfeld vertreten waren. Was ist aus dem deutschen Beitrag geworden? werden Sie sich vielleicht fragen. Schlimm, für die Sängerin Gracia und ihrem rockigen Beitrag blieb nur der letzte Platz, und das sag ich ehrlich ganz ohne Häme. Während Österreichs Moderator Andi Knoll, noch spürbar und völlig unverständlicherweise wegen des Scheitern der Global Kryners eingeschnappt und sich am Debakel von Gracia gerade aufzurichten schien, kümmere ich mich schon lang nicht mehr um irgendwelche Statistiken, die belegen sollen, dass die Deutschen die Österreicher beim Songcontest immer vernachlässigen.

Wenn Stefan Raab jemanden oder sich selbst beim Songcontest ins Rennen schickt, bin ich eigentlich noch jedes Mal hinter dem Beitrag gestanden. Freche Schnauze hin oder her, Raab ist ein Profi durch und durch und das honoriere ich. Aber zurück zum Songcontest. Deutschland also  abgeschlagen, Frankreich, Großbritannien und Spanien nur knapp davor, dem Urgestein im Bewerb ging es wenig besser und es dürfte auf eine Wachablöse im Songcontest hinzudeuten, dass Länder wie Griechenland, Malta und Rumänien, die vor zehn Jahren noch praktisch chancenlos in der Konkurrenz waren, diesmal den Sieg unter sich ausmachten. Eigentlich bin ich schon gespannt, wie es nächstes Jahr aussieht.

Und ob ORF-Mann Edgar Böhm seine angedeutete Drohung wahr macht, keinen österreichischen Vertreter mehr zum Songcontest zu senden. „Weil es auf die Musik nicht mehr ankommt.“ wie er zitiert wird, muss man auch erst abwarten. Nun, der Frust wird sich wieder geben, davon bin ich überzeugt, und ich bin recht zuversichtlich, dass wir auch nächstes Jahr wieder dabei sein werden, sprich zumindest im Semifinale antreten dürfen. Nur Styling und Musikrichtung sollten halt besser durchdacht werden, wenn ich mir diese Anmerkung erlauben darf. Bevor man den schwarzen Peter anderen zuschiebt und sich über den Modus aufregt, einem Bereich, in dem man sich selber besser bedeckt halten sollte: Wer im Glashaus sitzt…

Vivienne

 

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