Stellen wir uns vor, wir haben ein Bankkonto, auf das jeden Tag von einem Gönner 86 400,- Euro einbezahlt werden. Wir können dieses Geld verwenden wofür wir möchten, aber nur diesen einen Tag, denn alles was nicht verbraucht ist, wird wieder gelöscht. Ja natürlich, am nächsten Tag kommt die gleiche Summe wieder als Nachschub, jedoch würden wir sicher gewissenhaft mit dieser Summe umgehen und nichts davon verschwenden.
Wir haben so ein Konto, allerdings werden darauf Tag für Tag nicht 86 400,- Euro einbezahlt, sondern 86 400 Sekunden. Ja genau, jeden Tag schenkt uns Gott 86 400 Sekunden. Haben wir uns je gefragt, ob wir mit diesem Geschenk verantwortungsbewusst umgehen? Wie viele Sekunden verschwenden wir jeden Tag, wie viele Sekunden werden von unserem Zeitkonto gelöscht, ohne dass wir sie wirklich sinnvoll verwendet haben?
Es gibt kaum ein Thema über das so viel geschrieben wurde, wie die Zeit. Natürlich ist die Liebe in dieser Hinsicht der Zeit weit überlegen, aber die Zeit wurde in vielen Gedichten beschrieben. Denken wir nur an das wunderschöne Gedicht von Elli Michler „Ich wünsche dir Zeit“. Es wurde schon so oft „verschenkt“, doch wurde der Inhalt auch ebenso oft genutzt?
Auch in der Bibel ist ein Bibelkapitel der Zeit gewidmet. Der weise König Salomo wurde dazu inspiriert im Bibelbuch Prediger (Kohelet) im 3. Kapitel über die Zeit folgendes zu schreiben: „Für alles gibt es eine bestimmte Zeit, ja eine Zeit für jede Angelegenheit unter den Himmeln: 2 eine Zeit zur Geburt und eine Zeit zum Sterben; eine Zeit zum Pflanzen und eine Zeit, um Gepflanztes auszureißen; 3 eine Zeit zum Töten und eine Zeit zum Heilen; eine Zeit zum Abbrechen und eine Zeit zum Bauen; 4 eine Zeit zum Weinen und eine Zeit zum Lachen; eine Zeit zum Klagen und eine Zeit zum Herumhüpfen; 5 eine Zeit, Steine wegzuwerfen, und eine Zeit, Steine zusammenzubringen; eine Zeit zum Umarmen und eine Zeit, dem Umarmen fernzubleiben; 6 eine Zeit zum Suchen und eine Zeit, [etwas] als verloren aufzugeben; eine Zeit zum Aufbewahren und eine Zeit zum Wegwerfen; 7 eine Zeit zum Zerreißen und eine Zeit zum Zusammennähen; eine Zeit zum Schweigen und eine Zeit zum Reden; 8 eine Zeit zum Lieben und eine Zeit zum Hassen; eine Zeit für Krieg und eine Zeit für Frieden.“
Wie oft haben wir schon zu unseren Kindern gesagt: „Ich hab jetzt keine Zeit“, oder „Jetzt ist nicht die Zeit dafür“. Ja tatsächlich ist unserem Empfinden nach nicht die Zeit für etwas was uns der oder die Kleine gerade zeigen oder mitteilen will. Doch für das Kind ist es genau die richtige Zeit und wenn wir dem Drang des Kindes, uns etwas zu erzählen, nicht nachgeben, dann wird es irgendwann aufhören diesen Drang zu verspüren. Dann wenn wir Zeit haben, wundern wir uns, dass unser Kind nicht mit uns reden will. Es ist jetzt für das Kind nicht die Zeit zum Reden.
Wie oft haben wir schon gesagt: „Mir läuft die Zeit davon“? Kann denn die Zeit wirklich laufen? In gewisser Weise schon, denn mit jeder Sekunde die der Zeiger auf der Uhr weiterläuft ist auch für uns eine Sekunde von unserem Zeitkonto abgelaufen. Wann passiert es uns, dass uns die Zeit davonläuft? Wenn wir nicht gut geplant haben. Wenn wir vielleicht zuerst zu viel Zeit verstreichen ließen. Wenn uns zu spät bewusst wurde, welche Prioritäten wir setzen sollten. Wenn wir die Bedeutung der Zeit unterschätzt haben.
Wie oft haben wir schon gesagt: „Zeit heilt alle Wunden“? Kann man denn Zeit wie eine Heilsalbe verwenden? Werden wirklich alle Wunden geheilt? Natürlich, je mehr Zeit vergeht, desto weniger sind die Narben zu sehen, doch manche Narben bleiben, sowohl buchstäbliche Narben, als auch emotionale Narben. Darum sollten wir daran denken, dass wir unsere Zeit zum Reden sinnvoll gebrauchen sollten. Wir sollten heilenden, tröstenden Worten den Vorrang vor verletzenden Worten geben. Wenn wir andere mit unseren Worten verletzen, dann brauchen wir wieder einiges von unserer Zeit um mit vielen weiteren Worten die Schmerzen zu lindern. Wir können auch gesprochene Worte nicht zurücknehmen, denn das würde bedeuten, dass die Zeit rückwärts läuft und das ist etwas, was die Zeit nicht kann.
Wie oft haben wir schon gesagt: „Wie schnell die Zeit vergeht“? Wann haben wir zum letzten Mal gesagt, dass wir uns mal mit jemand zusammensetzen möchten? Wann haben wir eine Einladung ausgesprochen, in der Form, dass wir sagten: „Ihr müsst einmal zu uns kommen“? Einmal, irgendwann, noch in diesem Leben – all das sind Wendungen, mit denen wir uns nicht wirklich fixieren müssen. Warum nehmen wir nicht unseren Kalender und sagen: „Hast du nächste Woche am Samstag um 14 h Zeit, dass du zu mir kommst“? Warum wollen wir nicht so gerne einen Zeitpunkt festlegen? Warum sind wir lieber unverbindlich als verbindlich? Haben wir uns je gefragt, was wir versäumen, wenn wir so unverbindlich bleiben? Man trifft jemand aus der Familie zufällig und sieht, dass sein Kind schon wieder um einen Kopf größer ist, zum Vergleich zu der Zeit wo wir ihn zuletzt gesehen haben. Musste wirklich so viel Zeit dazwischen verstreichen? Haben wir wirklich erst dann Zeit für einen Menschen, wenn wir zu seinem Begräbnis eingeladen sind?
Wie oft haben wir schon gesagt: „Ich hab keine Zeit“? Kann denn das stimmen? Wie gesagt, jeder hat 86 400 Sekunden für jeden Tag. Jeder hat die gleiche Menge an Zeit zugewiesen bekommen. Warum haben manche Zeit und manche nicht? Wer ist dafür verantwortlich, dass wir keine Zeit haben? Jeder hat eigentlich Zeit, er muss sich für bestimmte Dinge aber die Zeit nehmen. Woher nehmen wir Zeit? Wir ziehen sie von Dingen ab, die weniger wichtig ist. Da sind sie wieder – die Prioritäten! Jeder sollte so eine Prioritätenliste haben, dann kann er sicher gehen, dass er für die wichtigen Dinge auch wirklich ausreichend Zeit hat. Manchmal muss man sich auch Zeit reservieren. Nicht die Zeit vom Vortag, denn diese Sekunden wurden mit den neuen Tag gelöscht. Wir können uns immer nur Zeit vom jeweiligen Tag reservieren. Vielleicht passiert es uns dann nicht mehr so oft, dass wir sagen müssen, dass wir keine Zeit haben.
Wie oft haben wir schon gesagt: „Das unterliegt dem Wandel der Zeit“? Kann sich denn die Zeit tatsächlich wandeln? Können Sekunden heute eine andere Bedeutung haben, als noch vor 10 Jahren? Es ist uns bestimmt schon aufgefallen, dass ein Kind ein anderes Zeitempfinden hat, als ein Erwachsener. Ein Kind wird quengelig, wenn es mit uns eine Stunde beim Arzt warten muss. Wir empfinden eine Stunde Wartezeit vielleicht als normal. Oder wenn wir älter werden, bekommt die Zeit wieder einen anderen Begriff. Die Oma im Pflegeheim beschwert sich, dass sie uns so lange nicht gesehen hat, dabei waren wir doch erst letzte Woche da. Uns ist die Zeit schnell vergangen, denn wir waren mit allem Möglichen beschäftigt. Die Oma hat nur auf Besuch gewartet. Beim Warten vergeht die Zeit nie so schnell, also kann sich der Zeitbegriff tatsächlich wandeln. Auch unsere Einstellung zu gewissen Dingen ändert sich, weil Zeit vergangen ist, weil wir dem Wandel der Zeit unterliegen.
Vielleicht denken wir über die Bedeutung der Zeit nun anders, wenn wir das nächste Mal den Sekundenzeiger beobachten und dabei buchstäblich sehen, wie schnell die wertvolle Zeit vergeht! Es liegt an jedem selbst, wie viele der 86 400 Sekunden er jeden Tag sinnvoll nutzt!
Tandi